Krankheitswesen
Das Gesundheitssystem werde gegen die Wand gefahren, wenn nicht bald etwas geschehe: Betriebsratsvertreter der Landeskrankenhäuser haben das gerade festgestellt. Schlimmer: Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat genau diese Formulierung schon mehrfach verwendet. Gebracht hat es nichts bisher.
Vom Bodensee bis zum Neusiedler See wird die Personalnot in den Spitälern und im niedergelassenen Bereich immer größer. Für die Allgemeinheit fehlen da wie dort Ärzt:innen sowie Pflegende. Akutfälle können behandelt werden, darüber hinaus wird’s jedoch schwierig. Helfen kann eher nur eine private Zusatzversicherung und/oder der Besuch eines Wahlarztes. Das geht jedoch ins Geld und verfestigt eine Klassenmedizin.
Zumal die Gesellschaft auch in anderen Bereichen auseinanderdriftet, birgt das Sprengstoff in sich: Es gibt die, die es sich richten können. Und es gibt viele, die zwar ebenfalls fleißig sind, aber umso frustrierter feststellen müssen, dass es nicht mehr reicht für sie.
Bei der ÖVP ist das noch nicht angekommen. Von der SPÖ gar nicht zu reden: Während Kommunisten ohne Marx triumphieren, streiten Sozialdemokraten nicht nur über den Vorsitz, als gäbe es keine größeren Herausforderungen zu bewältigen, sondern theoretisieren durch den Kandidaten Andreas Babler, wie viel Marx es denn sein soll. Prognose: So werden sie bald unter 20 Prozent landen. Eine Masse fühlt sich gefoppt.
In der Pandemie haben Ärzt:innen sowie Pflegende gerade Heroisches geleistet. Gewürdigt wurde es wenig bis gar nicht.
Die Krise des Gesundheitswesens ist, wie so vieles, multipel: Österreich hat ein sehr großes, um nicht zu sagen extrem großzügiges aufgebaut. Vor allem aber auch ein sehr kompliziertes. Im Zentrum stehen ein moderierender Minister sowie Länder, die sich um die Spitäler kümmern und Krankenversicherungsträger, die für den niedergelassenen Bereich zuständig sind. Über die Jahre hat sich hier eine Tendenz dazu entwickelt, sich gegenseitig Kosten umzuhängen – statt gemeinsam darauf zu achten. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Es geht um Macht.
Andererseits aber macht genau das ein bisschen Hoffnung: Ein Systemkollaps würde Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden unabhängig von der Schuldfrage auf den Kopf fallen. Sie würden bei Wahlen abstürzen. Vielleicht ist ihnen das eine Warnung. Immerhin ist es wenige Sekunden vor zwölf für sie. Zur Erinnerung: In spätestens eineinhalb Jahren finden Nationalrats- und (in Vorarlberg und der Steiermark) Landtagswahlen statt. Die Ausgangslage für die führende Volkspartei ist nicht gut. Sie steht unter Druck. Zumal im Gesundheitswesen Übleres droht: Die Personalnot ist unter anderem demographisch bedingt. Es sind, vereinfacht ausgedrückt, immer mehr Menschen zu behandeln, aber immer weniger Junge vorhanden, die das tun könnten. Die, die es tun, stehen zunehmend unter Druck, wechseln daher von Voll- auf Teilzeit oder hören ganz auf. Ein Wunder? Jein: In der Pandemie haben Ärzt:innen sowie Pflegende Heroisches geleistet. Gewürdigt wurde es wenig bis gar nicht. Also ist es keine Überraschung, wenn jetzt zu viele erst recht hinschmeißen.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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