Schwellenwerteverordnung zu früh kundgemacht

Laut Justizministerium lag das Problem im Bundeskanzleramt. Das spricht von “Abstimmungsproblemen”.
Wien Bei gewissen Rechtsmaterien des Bundes haben die Länder ein Wörtchen mitzureden. Bevor bestimmte Gesetze kundgemacht werden können, müssen die neun Landesregierungen etwa ausdrücklich zustimmen oder das Vorhaben zumindest nicht innerhalb von acht Wochen ablehnen. Das ist in der Bundesverfassung geregelt. Und dort steht ebenfalls, dass dieses Verfahren auch bei Verordnungen im Vergaberecht anzuwenden ist.
Stark gefordert von Ländern und Gemeinden
So eine Verordnung hat die zuständige Justizministerin, Alma Zadić, vergangene Woche unterschrieben: Die Schwellenwerteverordnung, mit der etwa die gesetzlich festgeschriebenen Grenzen für öffentliche Direktvergaben angehoben werden, war bisher nur bis zum 30. Juni befristet und sollte bis Jahresende verlängert werden. Das forderten die Länder – zum Beispiel Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) – und Gemeinden lautstark, etwa die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann, vor einigen Wochen in den Vorarlberger Nachrichten: “Für die Gemeinden ist ein Muss, dass die Verordnung verlängert wird. Es ist ein großer Aspekt, um die heimische Wirtschaft zu stärken.”
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Also schickte, laut einem Sprecher der Ministerin, ein Referent des Justizministeriums die unterschriebene Verordnung, versehen mit dem Hinweis, dass noch die Zustimmung der Länder einzuholen ist, an das Bundeskanzleramt. Das ist gemäß Bundesministeriengesetz für das Kundmachungswesen zuständig. Doch dort wurde der Verordnungsentwurf nicht, wie eigentlich vorgesehen, den Ländern zur Zustimmung übermittelt, sondern einfach kundgemacht.
Temporär verfassungswidrige Verordnung
“Die Verordnung ist dadurch in Geltung, wenn auch verfassungswidrig”, sagt der Sprecher von Zadić zu den VN. Eine Reparatur sei aber bereits veranlasst worden. Wenn alles gut gehe, könne noch vor dem 30. Juni, also bevor die bisherige Verordnung auslaufen würde, die Verordnung korrekt kundgemacht werden. Drohen also verfassungswidrige Vergaben, wenn sich das nicht ausgehen sollte? “Diese Frage wird sich in der Praxis nicht stellen. Wir rechnen nicht mit einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof” – das würde nur bei einer “offensichtlichen Verfassungswidrigkeit” einer Vergabe geschehen, wovon bei einer nur kurzen Übergangsphase nicht die Rede sein könne.
“Die Zustimmung der Länder ist im letzten Schritt vor der Kundmachung einzuholen, die Bestimmung über die Gesetze ist sinngemäß anzuwenden. Und dort ist eindeutig vom Bundeskanzler die Rede.”
Peter Bußjäger, Verfassungsjurist (Universität Innsbruck)
Und wer hat Schuld an diesem Dilemma? Während das Justizministerium auf das Bundeskanzleramt als die für die Kundmachung zuständige Stelle verweist, spricht dieses ein bisschen vage von “Abstimmungsproblemen”. Beide betonen aber, dass die Panne “halb so wild” sei, eine Korrektur sei ja bereits veranlasst worden. Währenddessen ist für den Verfassungsjuristen Peter Bußjäger die Sache klar: “Die Zustimmung der Länder ist im letzten Schritt vor der Kundmachung einzuholen, die Bestimmung über die Gesetze ist sinngemäß anzuwenden. Und dort ist eindeutig vom Bundeskanzler die Rede”, sagt er den VN.
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