Viele ungesunde Minenfelder

Der Landesgesundheitsbericht 2022 legte zahlreiche Mankos offen.
Bregenz Lange hat es gedauert, aber jetzt ist er da. Nach 2010 legte das Land wieder einmal einen Gesundheitsbericht vor. „Wir brauchen aktuelle Daten, um entsprechende Maßnahmen setzen zu können“, betonte Landesrätin Martina Rüscher bei der Präsentation im Regierungsfoyer.

Das 120 Seiten starke Druckwerk soll die Grundlage für eine neue Gesundheitsförderungs- und Vorsorgestrategie bilden. Aktuell ist die Reparaturmedizin mit 98 Prozent im System vorherrschend, der kärgliche Rest der Prävention vorbehalten. „Gelingt es uns nicht, diesen Schlüssel zu verändern, wird dem Gesundheitssystem noch mehr abverlangt, als es heute schon der Fall ist“, konstatierte Rüscher und gab als klares Ziel die Steigerung der gesunden Lebensjahre aus. Damit soll vorrangig bei den Kindern und Jugendlichen und in der Schule begonnen werden.

Mehr Bewegung an Schulen
Dem Mangel an körperlicher Betätigung will das Land mit einer flächendeckenden Ausweitung der täglichen Bewegungseinheit, die noch in der Pilotphase ist, begegnen, den zunehmend schlechten Ernährungsgewohnheiten mit gesunden Mittagessen. Landeshauptmann Markus Wallner sprach diesbezüglich sogar von Schlüsselprojekten. Weitere Minenfelder sind der Anstieg an chronischen Erkrankungen, der Rückgang bei den Vorsorgeuntersuchungen, die Zunahme von Übergewicht und Adipositas bei den über 15-Jährigen sowie das Rauchen. „Da liegt Vorarlberg österreichweit im Spitzenfeld“, bedauerte Landeshauptmann Markus Wallner. Er möchte auch, dass Vorarlberg wieder zum Vorsorgeland wird. Sein Vorschlag: das Einladesystem überdenken. Ein Masterplan wurde für Ende des Jahres angekündigt.

Jede Medaille hat auch eine Kehrseite. Die Lebenserwartung in Vorarlberg ist mit 85 Jahren bei Frauen und 80,1 Jahren bei Männern österreichweit am höchsten, allerdings verbringen viele die letzten 15 Lebensjahre bei mittelmäßiger bis sehr schlechter Gesundheit. Trotzdem bewerteten im Rahmen der 2019 durchgeführten österreichischen Gesundheitsbefragung 79 Prozent der Befragten in Vorarlberg ihren Gesundheitszustand als „sehr gut“ oder „gut“.

Armutsbekämpfung
Einigkeit herrschte auch darüber, dass Bildung ein wichtiger Schlüssel für Gesundheit ist, Armut hingegen negativ wirkt. Landessanitätsdirektor Wolfgang Grabher verwies auf den mit 19 Prozent vergleichsweise hohen Anteil an armutsgefährdeten Menschen im Land und sieht entsprechenden Handlungsbedarf. Dem Bericht zufolge haben nämlich immer noch nur 20 Prozent der Bevölkerung in Vorarlberg maximal einen Pflichtschulabschluss. Überrascht habe ihn auch die gestiegene Kaiserschnittrate. Sie liegt aktuell bei 27 Prozent, was einer Zunahme um das Dreifache entspricht. Die Landessanitätsabteilung wird übrigens zum Kompetenzzentrum für Public Health. „Wir brauchen eine Steuerung auf Landesebene“, betonte Rüscher, die eine gute Botschaft für Diabetiker hatte. Die vom Diabeteszentrum im LKH Feldkirch und der Selbsthilfegruppe schon lange geforderten Beratungsmöglichkeiten in allen vier Bezirken (die VN berichteten) sind genehmigt.
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Spitals-Infotour Was die bessere finanzielle Ausstattung des Gesundheitswesens betrifft, hoffen Rüscher und Wallner auf die Finanzausgleichsverhandlungen. „Wir werden eine kräftige Stimme sein“, versprach die Gesundheitslandesrätin. Im Zusammenhang mit der Personalmisere in den Krankenhäusern (die VN berichteten) sagte Martina Rüscher, dass es wichtig sei, neue Mitarbeitende zu gewinnen, aber ebenso bestehende zu halten. „Es braucht eine Wertschätzung der Ressource Gesundheitssystem“, kündigte sie für Juni eine Informationstour durch die Spitäler an. Markus Wallner monierte mit Hinweis auf den weltweiten Trend zur ambulanten Medizin, dass Österreich da zu langsam reagiere. Es brauche mehr Geld auch für den niedergelassenen Bereich sowie generell eine gemeinsame Finanzierung und Planung. „Jetzt ist die Chance da, diese Brücke zu bauen.“
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Gesundheitsbericht
400.000 Menschen lebten 2022 in Vorarlberg
461.000 werden es im Jahr 2060 sein
64 Prozent der Bevölkerung klagt über eine chronische Krankheit, am häufigsten sind Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Allergien.
169.000 Krankenstandsfälle von 142.000 ÖGK-Versicherten wurden 2021 dokumentiert.
23 Prozent der Bevölkerung rauchen täglich.
45.000 von 315.000 Personen über 19 Jahren nahmen 2021 eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch