Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Zu schwach

Politik / 03.06.2023 • 06:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Es rächt sich, dass es nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz zu keiner Neuwahl gekommen ist. Damals, Ende 2021, hätte es gute Gründe dafür gegeben. Sehr viele Menschen hatten ursprünglich ja nicht der ÖVP ihre Stimme gegeben, sondern der „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“. Das war die Bezeichnung, unter der sie kandidiert hatte. Wissend, dass allein der heute 36-Jährige überzeugt.

Dass eine Wahl ausgeblieben ist, ist auch für die ÖVP ein Problem: Verglichen mit der Liste Kurz ist sie ein Schatten ihrer selbst, geführt von Bundeskanzler Karl Nehammer, der nicht so recht weiß, wohin er sie und das gesamte Land führen soll. Er ist verunsichert, weil die Freiheitlichen wieder zulegen, und versucht sich daher an Herbert Kickl zu orientieren. Genau genommen lässt er sich durch diesen leiten. Im Glauben, dass er einen größeren Einbruch vermeiden kann, wenn er ähnliche Inhalte vertritt.

Österreich wäre mit unendlichen Herausforderungen konfrontiert, an der Spitze steht aber ein verzweifeltes Bemühen, trotz allem populär zu wirken.

Das Ergebnis ist bitter: Österreich wäre mit unendlichen Herausforderungen konfrontiert, an der Spitze steht aber ein verzweifeltes Bemühen, trotz allem populär zu wirken. Bei der Teuerung führt das dazu, dass gleich die Gießkanne eingesetzt wurde. Was wiederum dazu beigetragen hat, dass die Inflation hierzulande immer stärker von anderen Ländern abweicht. Genauer: Die Preisanstiege lassen zwar ebenfalls nach, aber bei Weitem nicht so deutlich wie zum Beispiel in Deutschland.

Zum Verhängnis wird außerdem, dass statt Sach- Klientelpolitik angesagt ist: Eine Mietpreisbremse darf nicht sein, weil sie eher nur im Sinne von Leuten im roten Wien wäre. Umgekehrt fordert Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die erhöhte Pendlerförderung beizubehalten, die im Sinne vieler ihrer Landsleute wäre. Wobei man zwei Dinge anmerken muss: Die Spritpreise haben sich wieder normalisiert. Und die Hälfte der erhöhten Förderung kommt dem obersten Einkommensfünftel zugute, dem sie sowieso nicht wehtun.

Es ist schwer, in Zeiten wie diesen Politik zu machen. Lässt sie sich aber allein durch ohnehin schon miserable Umfragewerte treiben, ist es bedrohlich. Anders ausgedrückt: Niemand kann alles richtig machen. Wichtiger denn je wäre es aber, dass Lösungen eine Rolle spielen, die längerfristig dem Gemeinwohl dienen. 

Wie weit Österreich davon entfernt ist, sieht man auch bei den Gasimporten: Die Abhängigkeit von Russland ist groß geblieben. Monat für Monat zahlen wir hunderte Millionen Euro dafür – die letztlich in der Kriegskasse von Wladimir Putin landen. Umgekehrt würde aber eben nicht mehr viel gehen ohne das Gas, das fließt. Besser: Noch fließt. Die Öffentlichkeit hat gerade durch Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss erfahren, dass Ende 2024 Schluss damit sein könnte. Die Ukraine könnte den Transit dann stoppen. Nehammer meint, es gelte „die Neven zu bewahren“. Das entspricht dem Motto: „Augen zu, es wird schon irgendwie gut gehen.“ Das ist jedoch keine Strategie. Wichtiger wäre es, Pläne zu entwickeln, die einer solchen Perspektive gerecht werden. Allein das würde Besonnenheit ermöglichen.

Johannes Huber

johannes.huber@vn.at

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.