Brisantes im Bad

Politik / 14.06.2023 • 22:26 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Es klingt zynisch – aber eines muss man dem amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump lassen: Er hat Geschichte gemacht – wenn auch auf schlimmstmögliche, brandgefährliche Weise, als am 6. Jänner 2021, nach seiner Niederlage in den Präsidentenwahlen 2020, ein von ihm ferngesteuerter Mob das Kapitol in Washington DC, stürmte. Gar von einem drohenden Bürgerkriegs war die Rede. Die materiellen Schäden der Attacke beliefen sich damals auf 2,7 Millionen Dollar; vier Polizisten, welche die Angreifer zurückgeworfen hatten, begingen im Laufe der nächsten sieben Monate Selbstmord. Der Schaden für die amerikanische Demokratie lässt sich kaum abschätzen. Doch Trump hat den Staatsstreich gegen die Nation, die er als 45. Präsident von 2017 bis 2021 geführt hatte, unbeschädigt überstanden. Er will im kommenden Jahr erneut antreten. Und seine Chancen sind gar nicht so schlecht, sein Einfluss auf die amerikanische Politik ist nicht zu unterschätzen.

Trump hat inzwischen erneut Geschichte gemacht: Er, der bereits zwei Mal vom Repräsentantenhaus unter Anklage gestellt -„impeached“ und dann freigesprochen wurde, steht jetzt als erster Präsident in der Geschichte der USA vor Gericht. Seine Vorgänger Clinton und Nixon waren seinerzeit knapp ungeschoren davongekommen. Trump hat offenbar hochbrisante Dokumente – unter anderem zu nuklearen Kriegsoptionen der USA – aus dem Oval Office im Weißen Haus mit auf seinen privaten Landsitz Mar-a-Lago (Florida) mitgenommen und sie dort im Schlafzimmer, in der Dusche, im Badezimmer, und – wohl um seine Gäste zu beeindrucken – im Ballsaal aufgestapelt. Man reibt sich die Augen: Amerika als das Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ – das trifft auch hier zu.

Trump, der auf „nicht schuldig“ plädiert, dürfte seinen Wahlkampf vom Gerichtssaal – oder vom Gefängnis aus – führen. Gegen ihn sind nicht weniger als 37 Klagen anhängig – unter anderem unter dem „Espionage Act“ von 1917 während dem Ersten Weltkriegs. Der Prozess wird am 25. März nächsten Jahres beginnen und die entscheidenden ersten beiden Monate der Primärwahlen überschatten. Obwohl die spektakulären Anklagen viele Wähler abschrecken werden, gibt es eine solide Basis von Anhängern, die Trump zu ihrem „Märtyrer“ emporstilisieren werden. Trumps Wahlkampagne könnte letztlich allein dem Zweck dienen, ihn aus dem Gefängnis herauszuhalten. Eines jedenfalls ist gewiss: Putin kann sich ins Fäustchen lachen, wenn er mitverfolgt, wie sich der Ex-Präsident seines Hauptfeindes USA in der Bedrouille befindet – und als Autokrat wird er dies propagandistisch als Argument gegen die Demokratie ausschlachten.

Charles E.
Ritterband

charles.ritterband@vn.at

Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).