Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

S’ Füferle und s’ Weckle

Politik / 29.06.2023 • 18:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Österreich wird gerne als Europameister im Bodenverbrauch bezeichnet. Als Schuldige werden in aller Regel „die Bürgermeister“, die angeblich unsere Landschaft hemmungslos zubetonieren, identifiziert. Ob wir wirklich Europameister sind, hängt wie so oft von der Betrachtungsweise ab. Den größten Anteil an verbautem Boden in Europa weist Malta auf, den geringsten Island. Um das zu erahnen, reichen eigentlich schon durchschnittliche Geografiekenntnisse. Österreich reiht sich, ebenfalls wenig überraschend, irgendwo dazwischen ein.

„Wer lieber in entleerten Regionen leben will, findet im Süden und Südosten Europas genügend schöne Gegenden.“

Interessant ist es aber auch, sich den Zuwachs des Bodenverbrauchs anzuschauen. Der Flächenfraß nimmt laut den verfügbaren Statistiken der Europäischen Umweltagentur etwa in den Niederlanden oder Zypern besonders stark zu. Österreich bewegt sich hier ebenfalls unspektakulär im Mittelfeld. Erst wenn man den Bodenverbrauch und die besiedelbare Fläche, die in Österreich durch seine Lage im Alpenraum besonders begrenzt ist, in Relation setzt, rückt unser Land ins Spitzenfeld auf. Ob wir wirklich an erster Stelle liegen, ist zwar mangels valider Daten ungewiss, aber als Schlagzeile ist auch eine vage Vermutung gut genug.

Dennoch wird niemand bestreiten können, dass der Bodenverbrauch in Österreich insgesamt zu hoch ist. Eine Gesellschaft kann eine nicht vermehrbare Ressource wie den Boden nicht unendlich in Anspruch nehmen. Wer nun mit der Parole „Europameister im Bodenverbrauch“ die Bürgermeister prügelt, offenbart allerdings in erster Linie, vom Recht keine Ahnung zu haben. Erstens sind die Gemeindevertretungen zuständig, zweitens sind die gesetzlichen Vorgaben ziemlich beliebig. Drittens kommt dazu, dass der Bodenverbrauch auch von der Attraktivität eines Landes abhängt. Wer lieber in entleerten Regionen leben will, findet im Süden und Südosten Europas genügend schöne Gegenden.
Der derzeitige Bodenverbrauch ist das Resultat, dass wir „s’ Füferle und s’ Weckle“ gleichzeitig haben wollen. Wirtschaftliche Prosperität, leistbares Wohnen auf der einen Seite und unverbaute Landschaft auf der anderen gehen sich jedoch nicht so leicht aus. Das ist ein gesellschaftliches Problem, für das weder Bürgermeister noch Gemeindevertretungen wirklich verantwortlich sind. Vielmehr müsste hier das Land als Gesetzgeber einschreiten und die Vorgaben enger ziehen: Keine neuen Einkaufszentren, keine Betriebserweiterungen in der Grünzone, keine Parkplätze im Freigelände mehr.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.