Digitalisierungsstaatssekretär Tursky: “Wir haben so etwas wie einen iPhone-Moment”

Politik / 25.07.2023 • 16:15 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Florian Tursky ist Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Finanzministerium. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Florian Tursky ist Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Finanzministerium. VN/Paulitsch

Jobs würden durch Künstliche Intelligenz nicht weniger, sondern mehr, sagt Tursky. Zwei Aspekte seien aber entscheidend.

Schwarzach Für Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky ist klar: Künstliche Intelligenz (KI) kann viele Bereiche des Lebens vereinfachen. Geplante EU-weite Vorschriften begrüßt der ÖVP-Politiker. Im Interview mit den VN äußert er sich außerdem zu möglichen Gefahren der bei Jungen beliebten App TikTok.

Nutzen Sie persönlich ChatGPT?

Ja. Ein Satz vorweg: Künstliche Intelligenz ist nicht gleich ChatGPT. Aber es hat dazu geführt, dass wir jetzt so etwas wie einen iPhone-Moment hatten. Nun kann es jeder selbst ausprobieren – das hat zu einem enormen Boom geführt. Ich selbst habe es schon verwendet, um eine englische Rede zu schreiben. Ich ertappe mich auch immer wieder dabei, dass mich einfache Suchanfragen im Internet mittlerweile langweilen.

Sprechen wir zuerst über die Chancen von KI. Wie kann sie unser Leben verbessern?

Ich bin davon überzeugt: Wie wir KI, Innovation und Digitalisierung in den kommenden Jahren nutzen, entscheidet in Österreich und ganz Europa maßgeblich über Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. KI kann viele Bereiche unseres Lebens vereinfachen. Zum Beispiel in der Pflege. Es ermöglicht uns, dass Menschen mit Pflegebedarf länger zu Hause bleiben und pflegende Angehörige entlastet werden können. In der Medizin werden Tumore früher entdeckt und Medikamente besser eingestellt und im Tourismus Besucherströme optimal gelenkt. KI erlaubt uns in Wirtschaft und Industrie, Maschinen effizienter zu nutzen, die Produktion wettbewerbsfähiger zu gestalten und zu automatisieren.

Interview mit Staatssekretär Florian Tursky
Interview mit Staatssekretär Florian Tursky

Auf dem Arbeitsmarkt stehen große Umwälzungen bevor. Ist die Sorge, den Beruf zu verlieren, berechtigt?

Alle Studien, die uns vorliegen, sagen das Gleiche: Die Jobs werden nicht weniger, sondern mehr. Zwei Aspekte sind aber entscheidend: Erstens, nützen wir überhaupt diese Chancen und gehen darauf ein? Zweitens, und das halte ich für die größte Herausforderung am Arbeitsmarkt, werden sich die Jobs verändern. Wie werden sich die Arbeitnehmer darauf einstellen?

Die EU arbeitet an den weltweit ersten Vorschriften für KI. Warum braucht es diese?

Es würde keinen Sinn machen, wenn Österreich oder Deutschland eine jeweils eigene KI-Regulierung hätten. Anders sieht es im europäischen Binnenmarkt aus. Wir haben immer wieder die Situation, dass neue technische Innovationen neue rechtliche Rahmenbedingungen notwendig machen. Es hat sehr viel mit dem Menschenbild zu tun, das wir in Europa haben. Nun müssen wir festlegen, was KI zukünftig darf und was nicht. 

Ein anderes Thema, über das zuletzt sehr viel diskutiert worden ist, war die chinesische Kurzvideo-App TikTok. Sie darf auf Diensthandys nicht mehr benutzt werden. Wie gefährlich ist TikTok aus Ihrer Sicht?

Wir können nur annehmen, wie der Algorithmus funktioniert. Wir wissen es nicht genau. Das ist auch Teil des AI-Acts und des Digital Service Act auf europäischer Ebene: Wir brauchen Einschau. Angenommen, TikTok hätte einen Algorithmus, welcher den Vorstellungen der Kommunistischen Partei folgt, wäre das für mich hochkritisch.

Die Datenschutzorganisation epicenter.works sah in den VN vielfältige Gefahren, hat aber auch vor anderen Social Media Apps gewarnt, zum Beispiel auch von US-Anbietern. Da müssten junge Menschen besser geschützt werden. Hat die Politik diese Entwicklung verschlafen?

Sie sind für uns auch wenig transparent. Der Digital Service Act, der nun umgesetzt wird, und der Digital Market Act widmen sich dieser Fragestellung auf europäischer Ebene. Wie gehen wir mit Plattformen um, wie können wir sie bestrafen und auch künftig vom Markt ausschließen, wenn sie nicht unseren Regeln folgen? Da geht es zum Beispiel auch um Hass im Netz. Es liegt an uns, ob wir am Ende des Tages in Europa auch den Mut haben und bereit sind, eine große Plattform vom Markt auszuschließen, sollte sie sich nicht an unsere Bestimmungen halten.

Sie haben angekündigt, dass persönliche Dokumente und Nachweise wie Meldeauskünfte, Strafregisterauszüge oder Heirats- und Geburtsurkunden künftig alle kostenlos über das digitale Amt zur Verfügung stehen sollen. Wann wird es denn so weit sein?

Wir werden auf jeden Fall die Grundlage noch in dieser Legislaturperiode schaffen. Das Ganze muss sehr einfach sein. Mit einem Klick sollen Bürgerinnen und Bürger an die Dokumente kommen. Das wird gratis erfolgen, darauf haben wir uns geeinigt. Auch bei den digitalen Ausweisen machen wir weiter. Bald kommen Alters- und Identitätsnachweis. Das ist gerade für junge Menschen interessant. Damit werden sie sich in Clubs ausweisen können. 

Gerade wird sehr viel über Normalität gestritten. Der Bundespräsident hat in Bregenz vor ausgrenzender Sprache gewarnt. Muss die Politik hier vorsichtiger agieren?

Der Ansatz der ÖVP ist, Politik für die Vielen zu machen, ohne die Wenigen damit zu beschneiden. Ich halte das für einen wichtigen Ansatz. Der Kanzler hat das schön umschrieben: Jeder soll in Österreich vegan leben können, aber es soll auch jeder Schnitzel essen und mit dem Auto fahren dürfen, wenn er das will, und braucht dafür nicht schief beäugt werden. Darin sehe ich keine Ausgrenzung, sondern eigentlich das Gegenteil.