Kalte Progression: Die Uhr tickt

Politik / 13.09.2023 • 16:55 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Finanzminister Brunner (ÖVP) muss sich beeilen: Er muss sich bis Freitag mit den Grünen einigen. <span class="copyright">APA</span>
Finanzminister Brunner (ÖVP) muss sich beeilen: Er muss sich bis Freitag mit den Grünen einigen. APA

Bis spätestens Freitag muss feststehen, wie die Steuerzahler das letzte Drittel der Kalten Progression zurückbekommen.

Darum geht’s:

  • Die Kalte Progression wurde abgeschafft und die Steuerstufen werden mit der Inflation angepasst.
  • Zwei Drittel der Kalten Progression werden automatisch abgeschafft, das verbleibende Drittel soll an die Steuerpflichtigen zurückgezahlt werden.
  • Regierung hat bis zum 15. September Zeit, zu präsentieren, wie das verbleibende Drittel zurückgezahlt wird.

Schwarzach, Wien Jahrzehntelang hat die Kalte Progression dafür gesorgt, dass Lohnerhöhungen nur zum Teil bei den Betroffenen angekommen sind. Kritiker sprachen von „schleichender Steuererhöhung“. Während die Inflation gestiegen ist und die Löhne daran angepasst wurden, blieben die Steuerstufen unberührt. Wer Pech hatte, landete in einer höheren Steuerstufe – und nur ein Teil der Inflationsanpassung auf dem Konto.

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Die aktuelle türkis-grüne Bundesregierung hat sich dem Thema angenommen und die Kalte Progression abgeschafft. Die Grenzwerte für die Steuerstufen steigen jetzt mit der Inflation. Ein Beispiel: Die Einkommensgrenze für die Steuerpflicht lag im Vorjahr bei 11.000 Euro. Heuer liegt sie bei 11.693 Euro, im kommenden Jahr wohl bei 12.500 Euro. Alle Tarifgrenzen werden wieder steigen – mit Ausnahme des Spitzensteuersatzes.

Weniger Steuern für den Einzelnen bedeuten aber auch weniger Geld für die jeweils Regierenden. ÖVP und Grüne wollten auf dieses Geld nicht komplett verzichten. Zwei Drittel der Kalten Progression werden direkt durch die automatische Anpassung der Steuerstufen abgeschafft. Das macht heuer rund 2,5 Milliarden Euro aus. Das verbleibende Drittel (knapp 1,2 Milliarden Euro) behält die Regierung für sich, möchte es aber ebenfalls an die Steuerpflichtigen zurückzahlen. Dieses Geld soll für Schwerpunkte verwendet werden. Wie diese Schwerpunkte aussehen, steht nicht fest. ÖVP und Grüne haben sich bis zum 15. September Zeit gegeben, um zu präsentieren, was mit dem Geld geschieht. Also bis kommenden Freitag.

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Aus dem Büro von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) heißt es: „Die Verhandlungen laufen aktuell noch. Unser Ziel ist es, Anreize für Vollzeit und natürlich auch Signale Richtung Lohnverhandlungen zu geben.“ Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Nationalrat kommt ebenfalls von der ÖVP und heißt Karlheinz Kopf – gleichzeitig Generalsekretär der Österreichischen Wirtschaftskammer. Er erhofft sich, dass ein beträchtlicher Teil des Geldes für steuerliche Leistungsanreize verwendet wird. Also für Überstunden, längeres Arbeiten im Alter, Pauschalierung für Selbstständige. Kopf gibt aber auch zu: „Nachdem unser Steuersystem ohnedies eine sehr stark umverteilende Wirkung hat, wäre es durchaus auch fair gewesen, die Entlastung automatisch bei allen Steuerstufen gleichmäßig vorzunehmen.“

Die Neos sehen das ähnlich. Auch sie hätten die Kalte Progression gerne zu 100 Prozent abgeschafft gesehen. „Sie ist nur zu zwei Dritteln abgeschafft worden, der Rest ist politische Willkür“, ärgert sich Neos-Mandatar Gerald Loacker. Er hofft, dass auch der Mittelstand voll von der Abschaffung profitiert. Das statistische Einkommensmittel bei Vollzeitkräften liege bei rund 3500 Euro. „Gerade dort schlagen Sozialversicherung und Lohnsteuer voll zu.“ Deshalb fordert Loacker auch jetzt: „Idealerweise passt die Regierung das so an, dass die volle Kalte Progression erstattet wird.“

Die Neos haben auch berechnet, was die volle Abschaffung heuer an jährlicher Entlastung bringen würde. Als Vergleichswert gelten schon die angepassten Steuertarifstufen. Die 100-Prozent-Abschaffung bedeutet in dieser Rechnung, dass die Steuerstufen einheitlich um 7,5 Prozent erhöht würden:

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Die Finanzsprecherin der Grünen, Nina Tomaselli, ist anderer Meinung: „Das dritte Drittel sollte unserer Meinung nach jenen zukommen, die es gerade am dringendsten brauchen.“ Die Teuerungskrise würde vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen belasten, zum Beispiel beim Wohnen oder bei den Lebensmitteln, fährt Tomaselli fort. „Deshalb sollten die verfügbaren Mittel zu deren Unterstützung verwendet werden.“ Mit dem Mechanismus selbst ist sie zufrieden. Schließlich hätten sich die Grünen dafür eingesetzt, dass die Politik etwas Spielraum behält.