Bikepark Brandnertal: Zwei Auerhennen und zwei Gutachten

Das Landesverwaltungsgericht beschäftigt sich weiterhin mit der 2019 genehmigten Erweiterung des Bikeparks. Die Auslegung einer Äußerung in einem Gutachten ist dabei im Zentrum.
Darum geht’s:
- Die Erweiterung des Bikeparks Brandnertal um zwei Trails steht weiterhin zur Diskussion.
- Die Erweiterung könnte den Bestand der bedrohten Auerhühner gefährden.
- Das Landesverwaltungsgericht muss entscheiden, ob eine artenschutzrechtliche Ausnahmebewilligung erforderlich ist.
Brand, Bregenz Die Größe der beiden geschaffenen Ersatzhabitate oder Ruhezonen sei mehr als ausreichend, selbst bei einer positiven Populationsentwicklung der Raufußhühner am Loischkopf im Brandnertal. Am Landesverwaltungsgericht drehte sich am Donnerstag viel um die Frage, was diese Aussage in einem Gutachten von 2018 im Detail bedeutet. Auf dem Spiel stehen einerseits die Zukunft des Auerhahns in Vorarlberg, andererseits der Sommertourismus im Brandnertal.
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Der Verhandlung ging ein langer Instanzenweg voraus: 2019 wurde die Erweiterung genehmigt. Die Naturschutzanwältin scheiterte zwar mit ihrer Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht, der Verwaltungsgerichtshof gab ihrer Revision jedoch recht. Nun muss sich das Landesverwaltungsgericht mit der Frage beschäftigen, ob es für die Erweiterung des Bikeparks eine artenschutzrechtliche Ausnahmebewilligung benötigt und ob diese zu erteilen ist. Ein entsprechendes Gutachten wurde eingeholt und am Donnerstag verhandelt. Eine aufschiebende Wirkung hatte dieser Instanzenweg nicht. Sprich: Während im Gerichtssaal der Stand von 2018 debattiert wird, sind die beiden fraglichen Trails am Loischkopf bereits in Betrieb.
Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung
Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, § 15 Absatz 6
Hinsichtlich einer nach Art. 12 oder 13 der FFH-Richtlinie geschützten Art kann die Ausnahmebewilligung aufgrund einer Verordnung nach Abs. 5 jedenfalls nur aus nachstehenden Gründen und nur erteilt werden, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotzdem ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen können:
a) zum Schutz der wild lebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume,
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum,
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt,
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen,
e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie zu erlauben.
Fragile Quellpopulation
Im Detail geht es um die Erweiterung des Bikeparks Brandnertal um zwei Trails am Loischkopf. Dies ist aber auch der Lebensraum von Auerhuhn und Birkhuhn, zwei bedrohten Tierarten. Die Vogelschutzrichtlinie verlangt, dass erhebliche Störungen, die den Erhalt der Art gefährden, zu unterbinden sind. Am Loischkopf kommt erschwerend hinzu, dass diese als die einzig mögliche Quellpopulation Vorarlbergs gilt, damit sich der Bestand der Auerhühner erholen kann.
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Für den Amtssachverständigen gilt diese aber auch als fragil, schließlich weiß man gesichert nur von zwei Auerhennen am Loischkopf. Die beiden neuen Trails bedeuten für ihn, trotz aller Anpassungen, drei Kilometer zusätzlicher Weg und durch das attraktivere Angebot auch mehr Frequenz. Und mehr Personen am Berg bedeuten für die sehr reviertreuen Auerhühner mehr Stress und geringerer Bruterfolg. Hinzu kommen die aufgrund der Lage meist notwendigen Hubschrauberflüge, wenn sich jemand verletzt. Das eingangs erwähnte Gutachten stelle die Möglichkeit einer positiven Entwicklung des Bestands nur in den Raum, nehme sie aber nicht als gegeben hin. Und wofür die Ruhezonen ausreichend sind, werde nicht erklärt. Denn eine Aufwertung dieser Zonen als Lebensraum für die Wildvögel fand auch nicht statt.
Vielschichtige Interessenlage
Das Brandnertal setzt seit 70 Jahren auf Tourismus. Und den Drang zu mehr Sommertourismus gibt nicht zuletzt der gesellschaftliche und klimatische Wandel vor. Sprich, der Nutzungsdruck steigt rund um das Jahr. Der Bikepark war in bereits entwickeltem Gebiet, inmitten von Skiliften und Wanderrouten. Damit muss kein neues Gebiet erschlossen und dem Wildleben weggenommen werden. Die Gemeinden und die Bezirkshauptmannschaft ließen Teile der Wegstrecke auf Güterwege verlegen, um den Verkehr auf wenige Strecken zu kanalisieren. Dies und die ausgeschilderten Ruhezonen sollten die Gratwanderung glücken lassen. Entsprechend überrascht zeigten sich die von Rainer Stemmer vertretenen Gemeinden Brand und Brandnertal vom neuen Sachverständigengutachten.
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Dessen Fazit: Die Erweiterung sei eine erhebliche Störung der Wildvögel, die aufgrund der geringen Zahl an Hennen bestandsgefährdend sein könne und durch die Ruhezonen allein nicht wettgemacht wird. Ob diese Absicht ist, muss das Verwaltungsgericht entscheiden. Die bisherige Rechtssprechung sieht diese bereits gegeben, wenn der entscheidende Sachverhalt billigend in Kauf genommen wird.
Nachdenkpause
Bürserberg und Brand haben nun sechs Wochen ab Zustellung des Verhandlungsprotokolls Zeit, ihre Reaktion auf das neue Gutachten in der Gemeindevertretung zu besprechen und zu entscheiden. Dann wird die Verhandlung fortgeführt. Derzeit deutet jedoch alles darauf hin, dass die Frage der artenschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung unumgänglich wird.