Experten bei Verpflichtung für Integrationstätigkeit uneins

Politik / 21.09.2023 • 18:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Nazir Hokak und Khan Kaschar arbeiten freiwillig in ihrem Flüchtlingsquartier in Gaisbühel mit.

Innenministerium arbeitet an Konzept für verpflichtende gemeinnützige Tätigkeit für Asylwerber.

Darum geht’s:

  • Experten uneins über die Verpflichtung zur Integrationstätigkeit für Asylwerber
  • Derzeitige Arbeitserlaubnis soll erweitert und verpflichtend gemacht werden
  • Freiwillige Integrationsarbeit stärkt die Struktur und Akzeptanz der Asylwerber

Schwarzach Nazir Hokak stammt aus Afghanistan, ist 26 Jahre alt, Asylwerber und lebt seit einem Jahr in Österreich. Khan Kaschar ist 35 Jahre alt, seit fünf Monaten im Land und in Pakistan geboren. Beide vereint etwas: Sie wohnen im Haus Gaisbühel und verrichten freiwillige Integrationstätigkeit, verdienen sich damit ein bisschen Geld und können sinnvoll arbeiten.

Asylwerber können in Gemeinden oder in den Quartieren helfen und dürfen 110 Euro zusätzlich pro Monat verdienen. Die Landesflüchtlingsreferentinnen und -Referenten haben sich jetzt dafür ausgesprochen, dass diese kleine Arbeitserlaubnis ausgeweitet werden soll. Zudem soll aus der Erlaubnis eine Pflicht werden. Das Innenministerium soll jetzt ein Konzept vorlegen.

Kreis soll ausgeweitet werden

Die Arbeit von Asylwerberinnen und Asylwerbern ist immer wieder Thema in öffentlichen Diskussionen. Einmal dreht sich die Debatte um gut integrierte Lehrlinge, die danach abgeschoben werden. Ein anderes Mal um die Nachbarschaftshilfe. Zur Erinnerung: In Vorarlberg konnten früher Asylwerber auch Privatpersonen bei kleineren Tätigkeiten helfen und ein Zubrot verdienen. Der Vorteil damals: Asylwerber und Privatpersonen sind in Kontakt gekommen, die gegenseitige Akzeptanz wuchs. Dieses Vorarlberger Modell ist Anfang 2016 gekippt worden, da rechtliche Fragen und Fragen des Versicherungsschutzes ungeklärt gewesen sind. Ein Jahr später wurde die gemeinnützige freiwillige Integrationstätigkeit aus der Taufe gehoben. Seitdem dürfen Asylwerberinnen und Asylwerber für Gemeinden, Länder und innerhalb der Quartiere arbeiten. Dieser Kreis soll auf andere gemeinnützige Organisationen ausgeweitet werden – und verpflichtend kommen.

Nazir Hokak und Khan Kaschar sind froh, dass die sinnvoll arbeiten können, statt sich zu langweilen.

Von 2018 bis 2022 sind laut Caritas 82.247 Stunden freiwilliger Integrationsarbeit für die Caritas geleistet worden, dazu 40.299 Stunden für Gemeinden. Eine gute Sache, findet Nazir Hokak: „Ich helfe unter anderem bei Reinigungsarbeiten im Haus und bei der Gartenarbeit. Ich kann mir so etwas Geld dazu verdienen und sinnvoll arbeiten. Mir ist nicht langweilig.“

Integrationsexpertin Grabherr: „Die Menschen bekommen Unterstützung von der Gemeinschaft. Und die Gemeinschaft möchte, dass sie etwas zurückgeben. Das ist gut für die Akzeptanz in der Bevölkerung.“

Für Integrationsexpertin Eva Grabherr von okay.zusammenleben ist deshalb die Ausweitung eine gute Sache. „Man muss rechtlich aufpassen, Stichwort Zwangsarbeit. Das müssen die Juristen klären. Außerdem dürfen keine Ausnützungsverhältnisse entstehen“, betont Grabherr, führt aber aus: „Grundsätzlich sehe ich es positiv. Asylwerberinnen und Asylwerber brauchen eine Tagesstruktur, das ist wichtig. Die Menschen bekommen Unterstützung von der Gemeinschaft. Und die Gemeinschaft möchte, dass sie etwas zurückgeben. Das ist gut für die Akzeptanz in der Bevölkerung.“ Nachsatz: „Die meisten Asylwerberinnen und Asylwerber wollen ja eh helfen. Sie brauchen die Aufforderung gar nicht.“

Schmolly gegen Verpflichtung

Caritas-Direktor Walter Schmolly bestätigt: „Beschäftigungsmöglichkeiten sind für Menschen während ihres Asylverfahrens grundsätzlich wichtig und von Vorteil. Beschäftigung gibt Tagesstruktur, ermöglicht Beziehungen, unterstützt beim Deutschlernen und wirkt damit positiv auf die Integration.“ Damit Beschäftigung Sinn macht, brauche es aber klare Rahmenbedingungen. Sie muss auf die konkrete Situation abgestimmt sein, also zum Beispiel auf Kinderbetreuungspflichten Rücksicht nehmen. Und Schmolly betont: „Sie muss der Freiwilligkeit unterliegen. Zwangsarbeit ist rechtlich ausgeschlossen. Die Bereitschaft, etwas beizutragen, ist unserer Erfahrung nach hinreichend gegeben.“ Außerdem brauche es eine finanzielle Abgeltung.

Caritas-Direktor Walter Schmolly: „Deshalb ist es sinnlos, über Verpflichtungen nachzudenken. Es wäre sinnvoll, den gesetzlichen Rahmen zu erweitern.“ Caritas/Shourot

Die damalige Nachbarschaftshilfe hatte den Vorteil, dass Asylwerberinnen und Asylwerber für Privatpersonen arbeiten durften. Grabherr hofft, dass das in Zukunft auch wieder möglich ist. Denn der direkte Kontakt sei besonders wertvoll. Das ist auch für Schmolly wichtig: „Dass die Zahl der Menschen, die freiwillige Integrationstätigkeit leisten, nicht höher liegt, hat mit den fehlenden Einsatzmöglichkeiten zu tun, die derzeit zum Beispiel vom Land organisiert werden müssten. Deshalb ist es sinnlos, über Verpflichtungen nachzudenken. Es wäre sinnvoll, den gesetzlichen Rahmen zu erweitern.“

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Die Arbeit ist jedenfalls wichtig, sagt Khan Kaschar. „Ich war Automechaniker und habe immer schon gerne und viel gearbeitet. Ich möchte nicht ständig untätig sein.“ Jetzt hilft er im Haus und viel im Garten. Kaschar würde gerne mehr arbeiten. „Ich habe noch keinen Platz in einem Deutschkurs. Ich besuche zwar das Deutschcafé, um Arbeiten von außen annehmen zu können, muss ich aber zuerst besser Deutsch sprechen lernen.“

Mehrere Vorstöße

Zum Thema verpflichtende gemeinnützige Arbeit für Asylwerber gab es bereits mehrere Vorstöße und Vorschläge. Geeinigt haben sich die Bundesländer nun darauf, dass das Innenministerium ein Modell erarbeiten soll, das die derzeitige Regelung – sie sieht Mitarbeit im Quartier oder im Auftrag von Ländern und Kommunen vor – auf gemeinnützige Organisationen ausdehnt. Wie mit der Aufwandsentschädigung bzw. deren bisher geltenden Höchstgrenze von 110 Euro monatlich umgegangen wird, ist noch offen. Oberösterreichs Flüchtlingsreferent Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) betonte jedenfalls: „Die Menschen haben auch eine Verpflichtung dem Land gegenüber, das sie aufnimmt.“ So würde die Akzeptanz in den Gemeinden mit Quartieren verbessert und ein Beitrag zur Integration geleistet.