Umfrage: Wie sehr die Bevölkerung den Politikern misstraut

Politik / 22.09.2023 • 19:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Bundeskanzler Karl Nehammer landet im hinteren Mittelfeld, FPÖ-Chef Herbert Kickl auf der zweitletzten Position. <span class="copyright">APA</span>
Bundeskanzler Karl Nehammer landet im hinteren Mittelfeld, FPÖ-Chef Herbert Kickl auf der zweitletzten Position. APA

Bundespräsident Alexander Van der Bellen verfügt über die besten Vertrauenswerte.

Darum geht’s:

  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen erfreut durch höheres Vertrauen.
  • Vorarlberger Politiker erzielen vergleichsweise gute Werte.
  • Vertrauen in Politiker hängt von Bekanntheitsgrad und Neutralität ab.

Schwarzach Wem vertrauen Sie? Der Feuerwehr? Der Polizei? Ärztinnen und Ärzten? Wahrscheinlich schon. Politikerinnen und Politiker landen hingegen in der Regel am unteren Ende der Vertrauensskala. Das zeigt sich, wenn Menschen nach Vertrauen in das Politikpersonal direkt befragt werden. Die APA und das Meinungsforschungsinstitut OGM fragen regelmäßig Politikerinnen und Politiker ab. Konkret wollen sie von der Bevölkerung wissen, ob sie in die jeweilige Person Vertrauen haben oder ob sie kein Vertrauen haben. Das wird zusammengezählt, daraus ergibt sich ein Saldo. Wenn mehr Menschen einem Politiker nicht vertrauen als ihm zu vertrauen, ist das Saldo im Minus. 27 Politikerinnen und Politiker wurden abgefragt. Fünf schaffen ein positives Saldo.

Umfrage: Wie sehr die Bevölkerung den Politikern misstraut

Einzig Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist eindeutig im Plus. Allerdings sei auch sein Wert nicht sonderlich gut, sagt Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle: „Für einen Bundespräsidenten ist dieser Wert schlecht. Das liegt auch daran, dass er mittlerweile oft zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen muss. Je öfter er das macht, desto mehr sinkt das Vertrauen, weil er als parteipolitisch wahrgenommen wird.“ Vergleichsweise gut schneiden die Vorarlberger ab. Gesundheitsminister Johannes Rauch steht gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadic als bestes Regierungsmitglied und bester Grüner auf dem dritten Platz. „Er kann mit seiner ruhigen und konsequenten Art punkten“, sagt Stainer-Hämmerle. „Er schießt auch nicht quer. Abfällige Töne über die politische Konkurrenz hört man nicht.“

Johannes Rauch auf Platz drei.<span class="copyright">APA</span>
Johannes Rauch auf Platz drei.APA

Finanzminister Magnus Brunner findet sich auf Platz sechs. Er ist damit bester ÖVP-Politiker, da Wirtschaftsminister Martin Kocher kein Parteimitglied ist. „Das kann bedeuten, dass Brunner ein möglicher Nachfolgekandidat sein könnte, falls Parteichef Karl Nehammer die nächste Wahl verliert“, betont die Politikwissenschaftlerin.

Magnus Brunner auf Platz sechs.<span class="copyright">APA</span>
Magnus Brunner auf Platz sechs.APA

Grundsätzlich gelten laut Stainer-Hämmerle zwei Regeln, wenn es um Vertrauen in einzelne Politikerinnen und Politiker geht. Erstens: Je unbekannter, desto weiter oben. Je mehr über jemanden berichtet wird, desto größer ist die Chance, dass er vor allem negativ in Erinnerung bleibt. Das gilt auch, wenn eine Zeit lang weniger berichtet wird. Wer oft in den Medien präsent ist, landet weiter unten. Und zweite Regel: Neutrale Posten wie der Präsident oder der Nationalratspräsident sind in der Regel oben. Van der Bellen und die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) sind der Beweis. Auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky, Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sind eher unbekannt und liegen in der Skala vergleichsweise weit oben.

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. <span class="copyright">APA</span>
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. APA

Es gibt aber auch eine Gegenthese für diese zwei Regeln. Sie heißt Wolfgang Sobotka. Der Nationalratspräsident ist mit einem Saldo von -53 klar Letzter auf der Vertrauensskala. Für Stainer-Hämmerle steht fest: „Bei ihm sieht man, dass das Vertrauen in ihn dauerhaft beschädigt ist. Wie er im Untersuchungsausschuss agiert hat, wird er nicht mehr los. Das vergessen die Leute nicht.“ In letzter Zeit wurde zwar wenig über ihn berichtet, aber er bleibt im Ranking ganz unten.

Wolfgang Sobotka: an letzter Stelle.<span class="copyright">APA</span>
Wolfgang Sobotka: an letzter Stelle.APA

Zweitletzter ist Herbert Kickl. Der FPÖ-Chef sehe das allerdings eher als Auszeichnung, ist die Politikwissenschaftlerin überzeugt. „Er setzt sehr stark auf Polarisierung, mit inzwischen offensiver Missachtung journalistischer Medien. Oder man denke nur an den Ton bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Er verfolge das Ziel, das schon Jörg Haider verfolgt hat. Haider plakatierte: „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist.“

Herbert Kickl: an zweitletzter Stelle.<span class="copyright">APA</span>
Herbert Kickl: an zweitletzter Stelle.APA

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) rangiert auf dem drittletzten Platz. „Er ist sehr kritisiert worden, ihm werden natürlich die Missstände im Bildungssystem angelastet. Als Minister wird er da natürlich in die Verantwortung genommen“, analysiert Stainer-Hämmerle. Das Regierungsmitglied mit dem zweitschlechtesten Vertrauenswert ist Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. „Das ist interessant“, findet die Expertin. „Sie wird von der ÖVP ein bisschen verheizt, sie ist in die Sachslehner-Rolle reingeraten, weil sie auch polarisiert.“

Claudia Plakolm.  <span class="copyright">APA</span>
Claudia Plakolm. APA

Unter den Oppositionspolitikern ist Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (Saldo -3) die bestplatzierte. Der Wert von SPÖ-Chef Andreas Babler (Saldo -18) ist weitaus schlechter. Für Stainer-Hämmerle steht fest: „Da sieht man, dass er nicht von einem Anfangsboost profitiert. Es heißt, er bringe der Partei neuen Schwung, aber bei der Bevölkerung kommt das nicht an. Also einen Vertrauensvorschuss kann ich nicht ablesen.“

Andreas Babler. <span class="copyright">APA</span>
Andreas Babler. APA

Insgesamt könne diese Umfrage als valide bezeichnet werden, sagt Stainer-Hämmerle, da es sich um eine Langzeitbefragung handelt und deshalb verglichen werden kann. Nur den Bekanntheitsgrad sollte man ebenfalls ausweisen. „Die Wahrscheinlichkeit ist eben hoch, dass bekanntere Personen negativer eingeschätzt werden.“

Kathrin Stainer-Hämmerle analysiert den Vertrauensindex.<span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="copyright">Parlamentsdirektion/Topf</span>
Kathrin Stainer-Hämmerle analysiert den Vertrauensindex. Parlamentsdirektion/Topf