Klimagefährder
Man hätte darauf wetten können: Seit Wochen steigen die Spritpreise wieder. Also war es nur eine Frage der Zeit, bis erste Rufe laut werden, eine Bremse zu ziehen. Jetzt ist es so weit: „Die Bundesregierung muss die CO2-Bepreisung aussetzen, bis sich die Inflationsrate wieder auf einem normalen Niveau befindet“, erklärt die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Ihr Koalitionspartner Udo Landbauer (FPÖ), der als Landeshauptmann-Stellvertreter bezeichnet werden möchte, wurde noch deutlicher: „Die CO2-Strafsteuer ist ein ideologischer Anschlag auf die Geldbörsen der Österreicher.“
„Spritpreise stehen der CO2-Bepreisung nur nach Darstellung schwacher Politikerinnen und Politiker entgegen.“
Auch SPÖ-Chef Andreas Babler hat geahnt, dass da etwas kommen würde. Er, der in Sonntagsreden von Klimaschutz redet, ist der CO2-Bepreisung daher schon im August entgegengetreten. Und zwar mit dem Argument, dass sie „völlig wirkungslos“ sei.
Wie wird Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) darauf reagieren? Das Diktat von Mikl-Leitner kann er schwer ignorieren. Bei den Grünen wird er mit dem Wunsch, die Bepreisung auszusetzen, wiederum nicht durchkommen. Sie können auf ein Gesetz verweisen bzw. auf eine Steuerreform, die Sebastian Kurz (ÖVP) 2019 mit ermöglicht hat.
Es handelt sich um eine Reform, die diesen Namen verdient. Natürlich mag man einräumen, dass die Bepreisung laut einer aktuellen Studie des „Instituts für Höhere Studien“ (IHS) noch zu gering ist, um zu einem spürbaren Effekt zu führen. Zumal es zum Ausgleich einen „Klimabonus“ von heuer bis zu 220 Euro pro Kopf gibt. Beides wird jedoch dadurch aufgewogen: Es handelt sich um eine Weichenstellung, die vernünftig ist, um zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes kommen zu können.
Gegen die Bepreisung sprechen die momentan hohen Spritpreise nur nach Darstellung schwacher Politikerinnen und Politiker – die sich nicht trauen, Überzeugungsarbeit für Dinge zu leisten, die von Teilen der Bevölkerung abgelehnt werden; und die es sich nicht zutrauen, treffsichere Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen. Insofern leisten Mikl-Leitner, Landbauer und Babler einen Offenbarungseid. Ihre Motive und Zugänge mögen sich unterscheiden, ihre Antwort ist identisch.
Laut jüngster Eurobarometer-Befragung findet eine Mehrheit von 51 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, dass die Regierung zu wenig tue gegen den Klimawandel. Nur 17 Prozent sagen, sie mache zu viel. Das wäre eine Chance. Es geht schlicht ums Wollen. Auch in Zeiten der Teuerung: Sie setzt zu vielen, bei weitem aber nicht allen, zu, wie das Konsumverhalten – inklusive Urlaubsreisen im vergangenen Sommer – unterstreicht.
Ja, denen, die wenig verdienen und aufs Auto angewiesen sind, macht ein Spritpreis, der wieder Richtung zwei Euro pro Liter geht, besonders zu schaffen. Ihnen könnte jedoch geholfen werden. Zum Beispiel durch ein einkommensabhängiges erhöhtes Pendlerpauschale. Auch hier gilt: Es geht ums Wollen. Und zwar um eines, das einer Verantwortung für den Planeten und gegenüber nachfolgenden Generationen zumindest ein bisschen gerecht wird. Was im Übrigen nichts mit Ideologie zu tun hat.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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