Teuerung und hohe Mietpreise: Wieder mehr Räumungsverfahren

Politik / 26.09.2023 • 16:40 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mieterinnen und Mieter in Vorarlberg kämpfen wieder stärker mit Räumungsverfahren. <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Mieterinnen und Mieter in Vorarlberg kämpfen wieder stärker mit Räumungsverfahren. VN/Steurer

Erstmals seit 2005 stieg die Zahl im Vorjahr wieder merklich an.

Darum geht’s:

  • Im Vorjahr stieg die Anzahl der Delogierungsverfahren um 12,6 Prozent.
  • Das Institut für Sozialdienste versucht, gefährdete Menschen frühzeitig zu kontaktieren.
  • Die Lücke zwischen Miete und Einkommen wird als Hauptgrund für Delogierungen genannt.

Schwarzach Es muss viel passieren, dass Mieterinnen und Mieter dazu gezwungen sind, ihre Wohnung zu verlassen. Oft helfen Beratungsangebote, dass es nicht so weit kommt. Das lässt sich an den Zahlen ablesen.

Im Jahr 2005 gab es in Vorarlberg 1089 Räumungsverfahren. Das heißt, dass die Verfahren zumindest vor Gericht gelandet sind. Damals wurde die aktuelle Beratungsstruktur unter Koordination des Instituts für Sozialdienste (IFS) aufgestellt. Seitdem ist die Zahl der Verfahren stetig zurückgegangen – auf 554 im Jahr 2021. Und das in einem Zeitraum, in dem gleichzeitig die Zahl der Haushalte um ein Viertel gestiegen ist. Die Teuerung wirkt sich aber auch auf den Mietmarkt aus. Im Vorjahr gab es erstmals seit langer Zeit wieder mehr Delogierungsverfahren. Nämlich 624 an der Zahl. „Wir haben eine Steigerung von 12,6 Prozent”, rechnet Heidi Lorenzi von der IFS Koordinationsstelle Delogierungsprävention vor. „So eine Steigerung hatten wir noch nie.”

Räumungszahl konstant

Die gute Nachricht aus Sicht des IFS: „Am Ende ist es im Vorjahr zu 102 durchgeführten Räumungen gekommen. Diese Zahl ist konstant.” Das IFS versucht allerdings schon vor den Gerichtsverfahren, gefährdete Menschen zu kontaktieren. Vor allem die gemeinnützigen Wohnbauträger seien da sehr hilfreich, sagt Lorenzi. Schon mit Mahnungen werden die Kontaktdaten des IFS mitgeschickt. „In 83 Prozent der Fälle schaffen wir es, dass man Wohnraum sichern kann oder noch vor der Räumung eine günstigere Wohnung zu finden.” Insgesamt haben das IFS und die anderen Institutionen 324 Haushalte beraten. In 144 dieser Haushalte lebten keine Kinder, in 55 der betroffenen Haushalte sogar drei oder mehr Kinder. „Wenn wir diese Menschen nicht erreicht hätten, wäre die Zahl der Verfahren höher”, ist Lorenzi überzeugt. Heuer dürfte sich der Trend fortsetzen: Die Zahl der Beratungen ist im August zum Vergleichszeitraum des Vorjahres um acht Prozent gestiegen.

Mieten steigen stärker als Lohn

Lorenzi fährt fort: „Das große Problem in Vorarlberg ist, dass die Lücke zwischen Miete und Einkommen größer wird. Das ist der Hauptgrund für Delogierungen.” Es könne jahrelang gut gehen, aber dann kommt es zu einem längeren Krankenstand oder einer Trennung, und plötzlich kippt es. „Manchmal reicht eine Kleinigkeit”, sagt die Expertin.

Die Organisationen bringen sich in vielen Bereichen ein. Sie suchen das Gespräch mit den Vermieterinnen und Vermietern, helfen vor Gericht und schauen sich die Einkommensverhältnisse an, erläutert Lorenzi. „Und wir sehen uns an, welche Ansprüche den Menschen zustehen. Die Leute wissen erschreckend oft nicht, welchen Anspruch auf welche Beihilfen sie haben.” Die Kooperation mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern klappe sehr gut. „Bei den Privaten ist es natürlich schwieriger. Da sind die Mieten auch viel höher.”

Zu wenig gemeinnützige Wohnungen

Die Mietpreise in Vorarlberg beurteilt sie insgesamt als extrem hoch. „Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit dem Thema. Aber so schwierig, wie in den letzten ein bis zwei Jahren, eine günstige Wohnung zu finden, war es wirklich noch nie.” Als Sozialarbeiterin oder Vertreterin ihrer Klientengruppe sage sie: „Wir müssen die gemeinnützigen Wohnungen mehr fördern.” Rund 13 Prozent der Wohnungen im Land sind gemeinnützig. „Das ist viel zu wenig. Auf der Warteliste stehen 6000 Menschen, die Regierung hat 800 gemeinnützige Wohnungen pro Jahr versprochen und konnte das nicht erfüllen”, betont Lorenzi.

Die Gemeinnützigen haben aufgrund der Baupreise die Bauleistung zuletzt sogar zurückgefahren. Der zuständige Landesrat Marco Tittler hat aber bereits angekündigt, wieder auf das Tempo drücken zu wollen.