Warum die Lohnlücke so weit auseinanderklafft

Politik / 30.10.2023 • 16:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Ob mit oder ohne Kind: Frauen bekommen laut Momentum-Institut in etwa gleich viel weniger Gehalt als Väter. <span class="copyright">APA/Jäger</span>
Ob mit oder ohne Kind: Frauen bekommen laut Momentum-Institut in etwa gleich viel weniger Gehalt als Väter. APA/Jäger

Am 31. Oktober ist Equal Pay Day: Frauen arbeiten für den Rest des Jahres unbezahlt. Die Mutterschaft ist einer aktuellen Analyse zufolge nicht der Hauptgrund für den großen Unterschied.

Schwarzach, Wien Noch immer verdienen Frauen in Österreich deutlich weniger als Männer. Das gilt besonders für Vorarlbergerinnen. Am Dienstag findet der österreichweite Equal Pay Day statt, jener Tag, an dem die Männer bereits so viel Gehalt bekommen haben wie Frauen erst zum Jahresende. In Vorarlberg war er schon viel früher, nämlich am 3. Oktober. Experten sehen unterschiedliche Gründe für die Lohnlücke. Nach einer Analyse des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts spielt die Mutterschaft jedenfalls nur eine untergeordnete Rolle.

Ganzjährige Vollzeitbeschäftigung

Der Equal Pay Day ist ein symbolisches Datum und misst den Einkommensunterschied zwischen ganzjährig Vollzeit beschäftigten Männern und Frauen. Die österreichweite Differenz beträgt 16,9 Prozent und entspricht somit einem Zeitraum von 62 Kalendertagen. Der Städtebund verweist auf große Unterschiede zwischen den Bundesländern: In Wien ist die Gehaltsdifferenz mit elf Prozent somit am geringsten, in Vorarlberg mit 24,7 Prozent am größten.

„Es ist ein Problem, dass eine gewisse Lücke besteht“, sagt Carmen Treml, Ökonomin bei der liberalen Agenda Austria. Diese würde aber seit Jahren abnehmen. Heuer hat sich der Equal Pay Day im Vergleich zu 2022 beispielsweise um einen Tag nach hinten verschoben. Gleichzeitig gibt die Expertin im VN-Gespräch zu bedenken, dass viele verzerrende Faktoren in die Berechnung hineinspielen, zum Beispiel die Berufswahl. So seien Frauen eher in Branchen mit niedrigeren Stundenlöhnen beschäftigt als Männer. „Zudem arbeiten sie viel öfters in Teilzeit.“ In allen Bundesländern liegt die Teilzeit-Quote der Frauen bei rund 50 Prozent beziehungsweise knapp darunter. In Vorarlberg beträgt sie laut Statistik Austria aktuell 52,9 Prozent. Dazu kommen laut Treml die erheblichen regionalen Unterschiede, die sich mit verschieden ausgeprägten Arbeitsmärkten erklären ließen. Der Expertin zufolge zeigt sich beispielsweise in Vorarlberg, dass Frauen vor allem im Dienstleistungssektor tätig sind, Männer im erzeugenden Bereich und der Industrie, wo die Bezahlung besser ist. Dazu kämen viele Grenzgänger mit höherem Einkommen.

“Konservatives Land”

Die Ökonomin erläutert, dass es sinnvoll wäre, bei der Kinderbetreuung anzusetzen. „Es gibt zum Beispiel in Vorarlberg, aber auch in Niederösterreich oder Oberösterreich, viel zu wenige Betreuungsplätze, die mit einem Vollzeitjob vereinbar sind.“ Überhaupt müsse es sich lohnen, mehr und länger zu arbeiten. „In gewisser Hinsicht ist Österreich ein sehr konservatives Land“, betont Treml außerdem. „In anderen Ländern arbeitet nicht automatisch nur die Frau Teilzeit und der Mann Vollzeit. Das hat mit dem Familienbild zu tun.“

Laut Agenda-Austria-Ökonomin Carmen Treml sind zu wenige Betreuungsplätze in Vorarlberg mit einem Vollzeit-Job vereinbar. <span class="copyright">Hannah Schierholz</span>
Laut Agenda-Austria-Ökonomin Carmen Treml sind zu wenige Betreuungsplätze in Vorarlberg mit einem Vollzeit-Job vereinbar. Hannah Schierholz

Das Momentum-Institut hat sich anlässlich des Equal Pay Days genauer angesehen, ob sich die Unterschiede vor allem auf die Mutterschaft zurückführen lassen. Der Berechnung zufolge spielt das aber eine untergeordnete Rolle. Männer ohne Kind mit Matura erhalten demzufolge etwa 98 Prozent des Bruttostundenlohnes von Vätern mit Matura, kinderlose Frauen mit gleichem Abschluss 88, Mütter 84 Prozent. „Der geringe Unterschied der Lohnlücken von Müttern und Frauen ohne Kinder im Vergleich mit Vätern verdeutlicht, dass wir den Gender-Pay-Gap nicht nur der Mutterschaft in die Schuhe schieben können“, sagt dazu Momentum-Ökonomin Katharina Mader. „Die strukturelle Benachteiligung von Frauen ist das Hauptproblem.“ Nur in der Gruppe der Menschen mit Hochschulabschluss stellt sich die Lage etwas anders dar. Momentum spricht von Vaterschaftsprämien, die hier deutlich spürbar sind – Die Geburt des Kindes wirkt sich also positiv auf das Einkommen des Mannes aus. Sie entsteht einerseits durch tatsächlich geleistete, erhöhte Arbeitszeit, andererseits durch mehr Gehalt, das die Männer nach der Geburt verhandeln. Kinderlose Männer mit Hochschulabschluss erhalten demnach nur 79 Prozent des Bruttostundenlohns eines Vaters, Mütter 76 und Frauen ohne Kind 67 Prozent.

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Auch Momentum verweist auf unterschiedliche Bezahlung nach Branchen und den Umstand, dass vor allem Frauen im Niedriglohnbereich tätig sind. Klassische Geschlechterrollen trügen ebenfalls zur Lücke bei. Mader hält dazu fest: „Natürlich müssen wir die Kinderbetreuung ausbauen und die Pflege von Angehörigen nicht weiter Frauen umhängen, das ist eine ganz zentrale Aufgabe.“ Außerdem fordert die Expertin verpflichtende Lohntransparenz, die Aufwertung von Niedriglohnbranchen und Quoten.