Wie die Integration in Vorarlberg funktioniert

Politik / 07.11.2023 • 17:05 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Caroline Manahl im VN-Interview: " Die Frage ist immer, wie geduldig wir sind - ich glaube, wir sind einfach ein bisschen zu ungeduldig." <span class="copyright">VN/Steurer</span>
Caroline Manahl im VN-Interview: " Die Frage ist immer, wie geduldig wir sind - ich glaube, wir sind einfach ein bisschen zu ungeduldig." VN/Steurer

Das Bildungsniveau von Menschen mit Migrationshintergrund aus den früheren Einwanderungsländern nimmt zu, erklärt Caroline Manahl im Interview.

Darum geht’s:

  • Der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Vorarlberg steigt.
  • Bei Jugendlichen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien hat sich die Bildungssituation verbessert.
  • Die Beschäftigungssituation von Migranten ist positiv, es gibt jedoch Unterschiede in der Qualifikation.

Dornbirn Und sie bewegt sich doch! Unter diesem Motto präsentierte die Projektstelle okay.zusammenleben am Dienstag eine neue Studie über die Integration von Zugewanderten in Vorarlberg. Konkret geht es um Menschen mit Migrationshintergrund – also mit mindestens einem Elternteil, das im Ausland geboren worden ist. Im Interview erklärt Studienautorin Caroline Manahl, wie es in Sachen Integration in Vorarlberg momentan aussieht. Fazit: Besser als manche meinen.

Der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund nimmt zu. Woran liegt das?

Caroline Manahl: Wir benutzen eine andere Definition von Migrationshintergrund als die Statistik Austria. Für uns trifft es schon zu, wenn nur ein Elternteil im Ausland geboren ist. In Vorarlberg fallen mittlerweile mehr als 40 Prozent der 15- bis 24-Jährigen unter diese Definition.

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Sie haben bei der Bildung einen positiven Effekt festgestellt. Was hat sich positiv entwickelt?

Caroline Manahl: Da haben wir uns die Jugendlichen mit Eltern aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in Österreich die Schule besuchen, angesehen. Im Jahr 2008 haben wir unter Jugendlichen aus der Türkei festgestellt, dass über 40 Prozent nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung haben. Mittlerweile liegt der Wert bei ungefähr 20 Prozent. Bei Jugendlichen mit Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien ist der Wert von 30 auf 10 Prozent gesunken. Damit ist der Anteil in etwa gleich hoch wie bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

In beiden Gruppen ist der Anteil jener, die nach der Pflichtschule aufhören, innerhalb von 15 Jahren um 20 Prozentpunkte gesunken. Können wir daraus auch etwas für andere Migrationsgruppen lernen?

Caroline Manahl: Man kann diese Dauer nicht auf andere Gruppen umlegen. Bei den Trentinern hat es Generationen gebraucht, bis sich ihr Sozialprofil nicht mehr von der Gesamtbevölkerung unterschied. Aber damals gab es auch keine Systeme, die sich um Integration gekümmert haben. Aber auch jetzt, wenn wir syrische Jugendliche ansehen, ist es anders. Diese Fluchtmigration aus Syrien war relativ stark gebildet. Und wir wissen, dass es stark darauf ankommt, wie Eltern ihre Kinder in der Schule unterstützen. Jetzt befinden sich schon überraschend viele syrische Jugendliche in der Sekundarstufe 2. Es lässt sich also nicht vergleichen.

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Sie und August Gächter haben auch Migrationsgruppen auf dem Arbeitsmarkt untersucht. Was haben Sie festgestellt?

Caroline Manahl: Zum Beispiel, dass das Bild, dass Frauen weniger arbeiten und sich primär um Sorgearbeit kümmern, so nicht in allen Gruppen stimmt. Die Erwerbstätigenrate bei geflüchteten Frauen ist zwar immer noch niedrig. Bei der zweiten Generation mit Eltern aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien sind die Unterschiede zu Frauen ohne Migrationshintergrund allerdings deutlich weniger ausgeprägt. Wir sind da auf einem guten Weg. Die Frage ist immer, wie geduldig wir sind – ich glaube, wir sind einfach ein bisschen zu ungeduldig.

Die Qualität der Berufe ist aber unterschiedlich hoch.

Caroline Manahl: Ja, die Qualifizierung ist bei Menschen ohne Migrationshintergrund höher. Und wenn die Bildung steigt, sollte es dazu führen, dass die Menschen auch stärker in qualifizierten Jobs sind. Die Veränderung sieht man noch nicht so sehr an den Zahlen, solange die schlechter gebildeten älteren Menschen im Arbeitsleben sind. Aber alleine bei Alltagskontakten merkt man an den Namen, dass die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund zum Beispiel bei den Lehrern oder in der Landesverwaltung steigt. Wir sind auch da vielleicht einfach zu ungeduldig.

Insgesamt sind aber immer noch sehr wenig Drittstaatsangehörige in der Verwaltung beschäftigt.

Caroline Manahl: Gerade da wäre es sehr wichtig, dass man die zweite Generation rein bekommt. Die Jobs zeichnen sich ja durch ein Prestige und gutes Einkommen aus. Außerdem tritt in der Verwaltung der Staat den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, es wäre schön, wenn sich hier die Diversität der Bevölkerung noch stärker abbildet. Der geringe Anteil liegt natürlich auch an der Qualifizierung. Aber auch daran, dass formale Qualifikationen in der ersten Generation häufig ungenutzt sind.

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Die mangelnde Anerkennung von Qualifikationen ist ja vor allem wieder seit 2015 Thema. Sind die Ansprüche an die Qualifikation bei uns einfach viel höher? Oder ist die Bürokratie ein Hemmnis?

Caroline Manahl: Es ist beides. Gerade bei der beruflichen Ausbildung in Lehrberufen haben wir ein ganz spezielles System. Aber auch universitäre Abschlüsse sind nicht so einfach anerkennbar. Dazu kommen oft fehlende deutsche Sprachkenntnisse. Und schließlich liegt bei Geflüchteten der ersten Generation der Fokus meist darauf, sich etwas aufzubauen und sich selber erhalten zu können. Schichtarbeit, selbst Hilfs- und Anlerntätigkeiten, sind bei uns in Produktionsunternehmen relativ gut entlohnt. Aber gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel gilt es, stärker auf die Qualifizierung und die Anerkennung zu schauen.

Wie lautet ihr Fazit aus der Studie?

Caroline Manahl: Im Bildungsbereich geht bei Zugewanderten etwa vorwärts. Es gibt insgesamt viel Positives, was oft ein bisschen unter dem Radar läuft, weil es nicht die Themen sind, die in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit bekommen. In den vergangenen Jahren hat man viel auf Geflüchtete geblickt. Die zweite oder dritte Generation ist aus dem Fokus gerückt. Klar kann man immer mehr tun. Aber gerade im Bildungsbereich stimmt die Richtung. Und im Beschäftigungsbereich auch tendenziell.