Wie es mit Glyphosat in Vorarlberg aussieht

Politik / 16.11.2023 • 19:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Wie es mit Glyphosat in Vorarlberg aussieht

Die EU-Kommission hat die Zulassung von Glyphosat verlängert. In Vorarlberg sieht man das Herbizid mit gemischten Gefühlen.

Darum geht’s:

  • In Vorarlberg ist der Einsatz von Glyphosat außerhalb der Landwirtschaft praktisch verboten.
  • Die EU-Kommission möchte die Zulassung von Glyphosat um zehn Jahre verlängern.
  • In der Landwirtschaft wird Glyphosat in Vorarlberg kaum noch verwendet.

Schwarzach, Brüssel Jens Blum zählt zu den bekanntesten Obstbauern des Landes. Auf seinem Wiesenhof in Höchst wachsen Birnen, Holunder und vor allem Äpfel. Zwischen den Apfelbäumen wuchert Gras und Unkraut, das weg muss. Aber wie? Obstbauern haben dafür früher Glyphosat verwendet, in Vorarlberg ist das längst kein Thema mehr. Und das, obwohl sie es dürften: Die EU-Kommission möchte die Zulassung des Unkrautvernichters um zehn Jahre verlängern. Österreichs Bundesregierung hat sich zuvor gegen die Verlängerung gestellt, auch Aktivistinnen und Aktivsten laufen dagegen Sturm. In Vorarlberg plädiert man für einen sachlicheren Umgang mit dem Thema. Unter anderem Jens Blum.

Jens Blum mit seinen Ländle-Äpfeln aus Höchst. <span class="copyright">VN/Lerch</span>
Jens Blum mit seinen Ländle-Äpfeln aus Höchst. VN/Lerch

Die Verlängerung auf EU-Ebene ist mit neuen Einschränkungen verbunden. Dazu gehören ein Verbot der Verwendung als Trockenmittel vor der Ernte und die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von umliegenden Pflanzen. Da im EU-Berufungsausschuss am Donnerstag erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Zulassung erzielt wurde, liegt der Ball nun bei der Kommission.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie zuvor schon die Europäische Chemikalienbehörde ECHA. Die aktuelle Zulassung läuft am 15. Dezember 2023 aus. Bei einer neuerlichen Zulassung kann Österreich im Alleingang den Einsatz von Glyphosat nicht aussetzen. Allerdings wurde im Jahr 2021 ein Teilverbot im Nationalrat beschlossen. Seitdem darf Glyphosat an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks oder Gesundheitseinrichtungen nicht mehr eingesetzt werden. In der Landwirtschaft, in der es bei Weitem am meisten zum Einsatz kommt, blieb es aber weiter erlaubt.

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In Vorarlberg ist es außerhalb der Landwirtschaft praktisch verboten. Aber auch innerhalb der Landwirtschaft wird es eigentlich nicht mehr verwendet. Vorarlberg Milch hat den Einsatz in den Lieferverträgen verboten. Auch Ländle Marketing ist frei von Glyphosat. Dazu zählen die Ländle-Äpfel von Jens Blum. Er ärgert sich: “Das Thema ist sehr emotional geführt.” Er geht gegen das Unkraut mechanisch vor. “Das braucht viel Energie und Treibstoff. Ich würge mich irgendwie durch, eine richtige Lösung gibt es bisher noch nicht.” Die Mäuse seien das größte Problem. Wenn der Boden stark bewachsen ist, sind die Mäuse besser geschützt und richten viel Schaden an. Der Obmann der Vorarlberger Obstbauern wünscht sich, dass über dieses Thema sachlicher diskutiert wird.

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Ulrich Höfert ist in der Landwirtschaftskammer für Obstbau zuständig. Er schlägt in dieselbe Kerbe. “Die Alternativen haben bei Weitem nicht die gleiche Wirkung wie Glyphosat, verursachen aber viel mehr Arbeit und Aufwand.” Auch er vermisst die Sachlichkeit bei diesem Thema. “Vier Fachstellen haben gesagt, dass Glyphosat bei der richtigen Anwendung unbedenklich ist. Trotzdem sind manche Regierungen dagegen, auch die österreichische.” Ihm gehe es nicht um Glyphosat, sondern darum, dass sachliche Entscheidungen getroffen werden. “Das hat die EU-Kommission jetzt getan”, ist er froh. Und warum hat die Kammer bei Ländle-Apfel Glyphosat untersagt? “Das war auch keine fachliche, sondern eine politische Entscheidung”, antwortet Höfert.

Ulrich Höfert von der Landwirtschaftskammer.
Ulrich Höfert von der Landwirtschaftskammer.

Das Thema ist emotional und kompliziert. Klar pro Glyphosat möchte sich unter den Landwirten dann doch niemand positionieren. Zu sehr schwingt die Angst vor einem öffentlichen Aufschrei mit. Selbst Simon Vetter aus Lustenau ist vorsichtig, obwohl er als überzeugter Biolandwirt mit Glyphosat nichts am Hut hat. Er wählt seine Formulierungen dennoch mit Bedacht. “Ich kann nachvollziehen, dass es Systeme gibt, in denen es jemand anwendet.” Nachsatz: “Genauso wie ich nachvollziehen kann, dass manche Schiffe noch mit Schweröl fahren.” Glyphosat sei bei manchen noch das Mittel der Wahl, weil es das billigste Mittel und ein Totalherbizid ist. “Ganze Anbauverfahren sind darauf angelegt.” Artenverlust sei weltweit ein großes Thema, da spielten Herbizide natürlich eine große Rolle, sagt Vetter. “Aber einen Wirkstoff zu verbieten, führt nicht automatisch dazu, dass sich die Situation verbessert. Dann nimmt man eben das Zweitbeste.”

Auch im Weinbau spielt Glyphosat in Vorarlberg keine Rolle mehr, sagt Gert Markowski, Bioweinbauer aus Göfis und Obmann des Weinbauvereins. “Mir ist nichts bekannt, eigentlich entfernen alle ihre Unkräuter mechanisch.” Aber auch er sagt: “Glyphosat ist nicht so schlimm, wie es dargestellt wird. Wie bei vielen Mitteln gilt: Es muss fachgerecht angewendet werden.” Das Gras zwischen den Weinstöcken wird jetzt eben ganz kurz gemäht – oder mit einem Gasbrenner entfernt.

Das Weingut Chesa Druschauna von Gert Markowski liegt auf 600 Höhenmetern, hier wächst der weltweit höchstgelegene Blaufränkische. <span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="copyright">VN/Bischof</span>
Das Weingut Chesa Druschauna von Gert Markowski liegt auf 600 Höhenmetern, hier wächst der weltweit höchstgelegene Blaufränkische.  VN/Bischof

In Vorarlbergs Landwirtschaft spielt Glyphosat also kaum eine Rolle – auch im öffentlichen Bereich nicht. An Straßenrändern, auf Sportplätzen, auf Friedhöfen oder Spielplätzen ist der Unkrautvernichter verboten. Das gilt auch für den kompletten privaten Bereich. Der Handel darf keine glyphosathaltigen Unkrautvernichter mehr verkaufen. Manche weichen für ihren Einkauf jetzt nach Deutschland oder in die Schweiz aus. Auch hier gilt also: Dann sucht man sich eben einen anderen Weg.