Politisches Handwerk
Kleiner Test vorweg. Welcher Politiker wurde so charakterisiert? „Einer der intelligentesten und aufgewecktesten Politiker; ein Schrittmacher und Vordenker Mitteleuropas; seine umfassende Bildung machte es möglich, mit ihm genauso über indische Politik zu diskutieren wie über österreichische Geschichte; brillant, aber zu g’scheit für die Politik.“ Wenn Sie nach einem amtierenden Politiker suchen, liegen Sie falsch.
„Wenn die Parteien so weitermachen, personell und programmatisch, wird es ein böses Erwachen geben.“
Es ist der im Vorjahr verstorbene ehemalige ÖVP-Obmann, Wissenschafts- und Unterrichtsminister Erhard Busek. Ihm ist ein Buch mit zahlreichen Würdigungen gewidmet („Einheit in Vielfalt – Erhard Buseks Welten“, Edition Mezzogiorno). Darin sind gerade für Buseks Partei beachtenswerte Sätze enthalten. Der Herausgeber des „Falter“, der Bregenzer Armin Thurnher: „Die Hoffnung bleibt, dass dieses von ihm hinterlassene Erbe eines Tages doch noch Früchte trägt, und dass in seinem Sinn in allen Lagern eine Politik gemacht wird, die nicht geschichtslos auf der bloßen Anwendung von Marketingprinzipien beruht, auf korrupte Medienpartnerschaft setzt und auf persönlichen Vorteil abstellt, sondern von politischen Ideen ausgeht und so etwas wie das allgemeine Wohl beabsichtigt.“
Der vor wenigen Tagen verstorbene Fürst Karel Schwarzenberg: „Ob CDU oder ÖVP, in den letzten 20 Jahren ist ein Abbau des christlichen Gedankens zu beobachten. Derzeit sind sie gesichtslose Parteien und das ist Mitschuld an ihrem geringen Erfolg.“ Paul Lendvai nennt Busek einen „unermüdlichen Warner vor fremdenfeindlichen und antisemitischen Tendenzen“, der Theologe Paul Zulehner spricht von einem „unbeugsamen Anwalt der Freiheit gegen alle populistischen Umwandlungsversuche der liberalen Demokratie in eine illiberale“ und: „Was viele in den Parteien nicht zusammenhalten können, hielt er zusammen. Gesinnung und Verantwortung.“
Eine treffende Analyse, über die ÖVP hinaus, hat auch der Innenpolitikchef der „Kleinen Zeitung“, Walter Hämmerle, zu bieten, vormals Chefredakteur der von der Bundesregierung unter fadenscheinigen Gründen abgewürgten „Wiener Zeitung“. In seinem kleinen Buch „Die unreife Republik – zum Zustand Österreichs“ (Leykam Streitschriften) begründet er, warum die Menschen Parteien und Regierung immer mehr misstrauen, „weil die Politik fast alle Energie in symbolisch aufgeladene, aber für die Zukunft des Landes bestenfalls drittrangige Themen investiert“. Hämmerle, gebürtiger Lustenauer, spricht von einer „anhaltenden Verzwergung der nach wie vor tragenden Parteien der Mitte“. ÖVP und SPÖ würden sich in Inszenierungen flüchten, statt zu gestalten. Weil sie personell erschöpft und programmatisch orientierungslos seien, hofften sie beide auf Wunderwuzzis, die sie zurück in die alte Glorie führen. Wenn die Parteien so weitermachten, personell und programmatisch, werde es ein böses Erwachen geben.
Er rät, anders über Politik zu diskutieren: „Entweder es ziehen wieder Respekt und grundsätzliche Wertschätzung in die Debatte und den Umgang mit Politikern ein (Anmerkung: gemeint auch die Medien), oder die Politik verabschiedet sich aus der Mitte der Gesellschaft“. Und zum Thema „Wie verhindert man die FPÖ?“: „Man wundert sich, warum die anderen ihr Glück nicht mit konkreter Politik versuchen. Vielleicht, weil niemand mehr dieses Handwerk beherrscht?“ Lesenswert, vor allem für aktive Politiker (m/w).
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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