Gebührenbremse: „Das ist gut gemeint, aber nicht durchdacht“

Die Gemeindestuben orten angesichts der vom Bund angedachten Gebührenbremse einen hohen Verwaltungsaufwand.
Bregenz Für die Bundesregierung war das ein großer Wurf. Als Teil eines „Maßnahmenpakets gegen die Teuerung“ verkündeten der Bundeskanzler und sein Vize bereits im Mai, dass Länder und Gemeinden gebeten werden sollen, ihre Gebühren im kommenden Jahr zu senken oder zumindest nicht zu erhöhen. Dazu soll ein Zuschuss vonseiten des Bundes animieren – finanziert mit den Einnahmen aus der „Übergewinnsteuer“ für Energiekonzerne. Das Gesetz wurde aber erst im Oktober im Parlament beschlossen, die entsprechende Richtlinie darüber, wie genau die Umsetzung ausschauen soll, hat das Land zudem bislang nicht erlassen.
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Auch deshalb sehen sich viele Gemeinden mit offenen Fragen darüber konfrontiert, wie die Bremse der Gebühren für Wasser, für die Beseitigung von Abwasser und für die Müllabfuhr ausschauen wird. Das zeigt ein Rundruf der Vorarlberger Nachrichten quer durch das Land.
Mehrere Fragen im Montafon
Da ist etwa Martin Vallaster. Der 56-Jährige leitet aktuell die Geschicke von Bartholomäberg. Und er fühlt sich im Stich gelassen: „Die Frage, wie man die Gebührenbremse umsetzt, ist eine eigene Wissenschaft“, sagt der Bürgermeister der 2300-Einwohner-Gemeinde im VN-Gespräch. Er bezeichnet das System als „gut gemeint, aber nicht bis ans Ende durchdacht“.

„Die Frage, wie man die Gebührenbremse umsetzt, ist eine eigene Wissenschaft: Verteilst du es auf alle Gebühren? Verteilst du es auf alle Haushalte gleich oder welche Parameter nimmst du her? Das ist alles sehr gut gemeint, aber nicht bis ins Ende durchdacht.“
Martin Vallaster, Bürgermeister Bartholomäberg
Das liege primär an der großen Arbeitslast, die drohe, auf die Gemeindeverwaltung zuzukommen: „Es stellen sich mehrere Fragen: Bremst du alle Gebühren oder nur einen Teil ab? Welche Parameter nimmst du her, um zu entscheiden, die Gebühren welcher Haushalte, um wie viel erhöht werden? Und was machen die Nachbargemeinden?“ Egal, wie die Gemeindevertretung entscheide: „Da kann man sich nur in die Brennnesseln setzen.“

„Den Gemeinden ist selbst überlassen worden, wie die Gebührenbremse in welcher Form zur Anwendung kommen soll. Wesentlicher Punkt ist, abzuschätzen, was auf die einzelnen Haushalte entfällt. Gut muss man darauf schauen, dass nicht der Verwaltungsaufwand zu groß wird.“
Walter Gohm, Bürgermeister Frastanz
Bereits Anfang Jänner erging ein Schreiben aus dem Amt der Landesregierung an die Gemeinden, unterzeichnet von Landeshauptmann Markus Wallner, es liegt den VN vor. Darin wird empfohlen, die Gebührenverordnungen im kommenden Jahr „streng nach sachlichen und betriebswirtschaftlichen Kriterien zu kalkulieren“ und den Zuschuss des Bundes ‚nur‘ für eine Gutschrift an die Endverbraucher heranzuziehen. Walter Gohm, Bürgermeister von Frastanz, präferiere diese Option, auch wenn er den Gesprächen in der Gemeindevertretung nicht vorgreifen wolle. Jedenfalls, sagt auch er, sei zu berücksichtigen, „dass nicht der Verwaltungsaufwand zu groß wird.“

„Wir hoffen, dass technisch alles klappt. Konsens ist, dass wir die Gebührenbremse über eine Rückerstattung für die Bevölkerung abwickeln und alles ganz normal kalkulieren. Wir werden die Beträge jedenfalls anpassen, mit niedrigeren Gebühren kann man keine Sozialpolitik machen.“
Andrea Kaufmann, Bürgermeisterin Dornbirn, Präsidentin Gemeindeverband
Gebührenpolitik keine Sozialpolitik
In eine ähnliche Kerbe schlägt Andrea Kaufmann, Bürgermeisterin von Dornbirn und Präsidentin des Gemeindeverbands im Land: „Wir hoffen, dass das technisch alles klappt.“ In den Gemeinden werde die Möglichkeit, der Bevölkerung eine Gutschrift zukommen zu lassen, präferiert. Zufrieden mit der Maßnahme ist sie nicht vollständig: „Wir sind im Gemeindeverband darüber übereingekommen, dass wir die Gebühren jedenfalls anpassen. Mit niedrigeren Gebühren kann man keine Sozialpolitik machen“, wiederholt sie ihre Kritik an Aussagen von der Bundesseite, wonach die Senkung der Gebühren zur Bekämpfung der Teuerung beitragen könne.
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Noch nie hätten so viele Gemeinden „Probleme bei der Budgeterstellung“ gehabt, wie das aktuell der Fall sei, sagt Kaufmann. Der Zuschuss des Bundes reiche außerdem wohl nicht dafür aus, alle Gebührenanpassungen vollständig zu refundieren. Es ist dies eine dieser offenen Fragen.
Gebühren als „Beiwerk“
Auch Karoline Mitterer, Ökonomin am Zentrum für Verwaltungsforschung, hat offene Fragen rund um die sogenannte „Gebührenbremse“, zumindest auf Gemeindeebene: „Der Effekt auf die Inflation durch die Gebühren ist minimal. Beim Zuschuss des Bundes geht es um 16,30 Euro pro Person.“
Zudem sieht sie die Gefahr eines „Nachholeffekts“ – also deutlich höheren Steigerungen der Gebühren im Jahr 2025, wenn es dann vielleicht keinen Zuschuss von Bundesseite mehr gibt: „Wenn ich mir die Gemeindefinanzprognose für die nächsten Jahre so anschauen, wird da einfach kein Geld überbleiben, das in die Bereiche hinein investiert werden kann“, sagt sie.

Unterdessen hat die Vorarlberger Landesregierung beschlossen, die Gebühren auf ihrer Ebene kommendes Jahr nicht an die Inflation anzupassen. Konkret betrifft das Kosten für die Entsendung von Mitarbeitern von Land und Gemeinden zu bestimmten Amtshandlungen und die Abgaben in Verwaltungsverfahren – beispielhaft seien die Genehmigung von Tierhaltungen, von Ausnahmen vom Flächenwidmungsplan oder von neuen Jagdgenossenschaften genannt.
Mitterer sagt dazu den Vorarlberger Nachrichten: „Auf Gemeindeebene haben die Gebühren eine ganz andere Bedeutung als für die Länder. Jene, die das Land einhebt, sind finanziell eher ein Beiwerk.“ Währenddessen sei für die Gemeinden wirklich essenziell, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Müllabfuhr kostendeckend betreiben zu können.
Bis Jahresende müssen die Gemeinden bekannt geben, ob sie den Zuschuss in Anspruch nehmen.