Informationsfreiheitsgesetz: “Riesige Verbesserung, aber wenig Ambition”

Transparenzexperte Markus Hametner kritisiert, dass es keine vermittelnde Stelle wie in Deutschland gibt.
Schwarzach Welche Informationen werden herausgegeben und welche nicht? Markus Hametner, Vorstandsmitglied des Forums für Informationsfreiheit (FOI), sieht in dieser Frage einen Machtfaktor für die Politik. Im VN-Interview spricht er über neue Möglichkeiten, ortet aber auch Versäumnisse.
Erste Zahlen zeigen, dass es bisher nur wenige Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz in den Vorarlberger Gemeinden gab. Verwundert Sie das?
Hametner Das verwundert mich schon ein bisschen. Seitdem ich mich mit dem Thema befasse – also seit zwölf Jahren – hat es noch nie so viel Aufmerksamkeit bekommen wie jetzt. Die Regierung hat auch sehr viel versprochen. Ich hoffe, das liegt einfach daran, dass man nicht jeden Tag mit einer Behörde zu tun hat, die einem nichts sagt, sondern dass es eine seltene Begebenheit ist. Oder daran, dass viele Menschen, die gerne etwas anfragen würden, aber zum Beispiel keinen Streit mit dem Bürgermeister riskieren wollen, das von vornherein vermeiden. Hoffen wir, dass viele davon wissen, aber einfach noch nicht so oft die Gelegenheit hatten, sich zu denken: Jetzt poche ich auf mein Recht.
Ist die Gefahr groß, dass man in einem kleinen Land einfach Berührungsängste hat?
Hametner Solche Gefühle haben wir schon wahrgenommen, selbst in größeren Gemeinden.
Hat es bei “Frag den Staat”, dem Anfrageportal des FOI, mehr Anfragen gegeben?
Hametner Ja, seit September. Im Vergleich zum September des Vorjahres gab es eine Verzehnfachung der Anfragen, die wir über diese Plattform an die Behörden weitergeleitet haben.

Wie würden Sie das Informationsfreiheitsgesetz insgesamt bewerten?
Hametner Einerseits ist das eine enorme Verbesserung im Vergleich zu früher. Andererseits zeigt der Blick auf internationale Vorbilder, wie wenig Ambition tatsächlich dahintersteckt. Der größte Hebel – das ist durch Studien belegt – wäre eine Behörde gewesen, die sowohl die Verwaltung als auch Bürgerinnen und Bürger unterstützt und zwischen ihnen vermittelt: eine Informationsfreiheitsbeauftragte. So etwas gibt es etwa in Slowenien oder auch in Deutschland. Das deutsche Gesetz diente in vielen Punkten als Vorbild für unser neues Informationsfreiheitsgesetz. Diese Regelung wurde jedoch nicht übernommen. Neben ihrer Vermittlungsfunktion – also dass man nicht gleich gegen den Bürgermeister vor Gericht ziehen muss – kann die Stelle dort auch die Einhaltung der proaktiven Veröffentlichungspflicht kontrollieren.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Stichwort Veröffentlichungspflicht. Macht es Sinn, dass Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern ausgenommen sind?
Hametner Die Begründung lautete, dass die Gemeinden relativ kleine Verwaltungseinheiten mit wenigen Mitarbeitenden seien und es an Kapazitäten fehle. Doch wenn es um Verträge über 100.000 Euro geht, kann man schwer argumentieren, dass keine halbe Stunde Zeit bleibt, um zu prüfen, welche Teile davon veröffentlicht werden können. In Wahrheit schneiden sich die Gemeinden damit ins eigene Fleisch, da sie bei jeder einzelnen Anfrage – auch zu älteren Verträgen – alles erneut durchsuchen müssen. Eine verpflichtende Veröffentlichung wäre zudem ein Motor für den Informationsaustausch zwischen den Gemeinden gewesen. Zu wissen, was etwa der Turnsaal der Nachbargemeinde gekostet hat, kann eine wertvolle Information sein, wenn man selbst einen Turnsaal plant. Auch bei Fragen wie: „Gab es genug Angebote bei der Ausschreibung?“ ließe sich viel Know-how anzapfen.
Sind die Fristen für die Beantwortungen zu lang bemessen?
Hametner In Ländern, die Transparenz ernst nehmen, gelten Fristen von zwei bis drei Wochen. Bei uns sind es hingegen vier Wochen, die sogar um weitere vier Wochen verlängert werden können. In der Praxis bedeutet das oft, dass man eine Anfrage abschickt, keine Empfangsbestätigung erhält und erst nach vier Wochen das erste Mal von der Behörde hört. Die meisten Stellen warten tatsächlich bis zum Ablauf dieser Frist mit ihrer Antwort – obwohl es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Bearbeitung so lange dauert. Das deutet darauf hin, dass die gesetzliche Vorgabe, Informationen „ohne unnötigen Aufschub“ zu erteilen, vielfach ignoriert wird.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Warum hat sich Österreich so schwer damit getan, das Amtsgeheimnis abzuschaffen?
Hametner Natürlich ist es bequem für die Politik, entscheiden zu können, welche Information wann herauskommt und welche nicht. Das ist ein Machtfaktor. Gleichzeitig haben Gerichte nach dem ersten Versuch, Transparenz zu schaffen, nach dem Auskunftspflichtgesetz 1987, sehr transparenzfeindlich argumentiert. Das hat eine Kultur der Amtsverschwiegenheit befördert. Zusätzlich kann es sein, dass man als Beamter noch immer dienst- oder strafrechtliche Konsequenzen fürchten muss, wenn zu viel herausgegeben und Rechte von anderen beeinträchtigt werden. Wenn man zu wenig herausgibt, drohen keine oder kaum Konsequenzen.