Albanien: Ein Schatz für Entdecker

Reise / 21.07.2019 • 09:15 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
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Naturparks, Slow Food und orientalische Kultur. In Albanien fühlen sich Abenteurer wohl.

Tirana In den Bergen ist Schnee angesagt, draußen regnet es in Strömen. Wer kann, der rettet sich in eine der drei Bars des Nationalparks Shebenik-Jabllanica. Fatmir Tupi, der Wirt, röstet Weißbrotscheiben über dem offenen Feuer, serviert hausgebrannten Raki und einen Schafskäsebrei mit Hühnerinnereien. Nicht jedermanns Geschmack ist das. Aber so wird hier seit jeher gegessen. Während die Fensterscheiben beschlagen, füllt sich der Raum mit dem Zigarettenrauch der Männer, die auf albanische Tänzerinnen im Fernsehen über der Bar starren.
Am nächsten Tag klart es auf, weiß betupfte Bergspitzen, Kräuterwiesen und glasklare Seen zeigen sich blank geputzt vom Regen.

Albanien: Ein Schatz für Entdecker

„Jetzt könnt ihr losgehen“, sagt Laurenc, der Sohn des Barbesitzers, setzt seine Wollmütze auf und kommt gleich mit. Er ist kein richtiger Ranger, keiner von denen, die mit einem Abzeichen auf dem Pullover den Bauern erklären, dass die Jagd nun unter allen Umständen verboten ist und das Holz nicht geschlagen werden darf. Er ist einfach da, wenn Gäste einen Guide brauchen, denn diese Landschaft ist die seine. Mit 31 Jahren war er nie fort, hat selbst seine Schwester in Miami nicht besucht. Während er nun vor dem grün-blau schillernden See steht, das leuchtende Frühlingsgrün im Hintergrund, strafft sich sein Körper erkennbar: „Wir brauchen keine asphaltierte Straße in den Park“, sagt er stolz. „Dann kommen nur die Kerle mit ihren Jeeps, fahren Rallys und saufen Bier.“ Was Laurenc für seinen Park vorschwebt, ist eine geräuscharme Gleitbahn, vielleicht, oder Themenwanderungen. So sanft wie Laurenc den Nationalpark wachküssen möchte, so sanft können – noch – große Teile des Landes entwickelt werden. Denn Albanien ist ein weißer Fleck auf der touristischen Landkarte Europas, der nur langsam Farbe annimmt. Es ist ein Nachzügler in einer Branche, die gerade in armen Ländern oft auf das schnelle Geld durch Masse gesetzt hat.

Wunderschöne Natur im Shebenik-Jabllanica Nationalpark. Shutterstock
Wunderschöne Natur im Shebenik-Jabllanica Nationalpark. Shutterstock

Das angekratzte Image des 3-Millionen-Einwohner-Landes tat das Seine, um Urlauber und Investoren abzuhalten. Denn in der Wahrnehmung von außen ist Albanien vor allem geprägt durch Mafia-Banden, eine übernatürlich hohe Mercedes-Dichte und die Narben eines brutalen, wahnwitzigen Sozialismus. Inzwischen haben einige spezialisierte Reisebüros mithilfe lokaler Agenturen Albanien ins Programm genommen. Der Nationalpark Shebenik-Jabllanica beispielsweise wird in den meisten Reiseführern kaum erwähnt. In dem Park an der mazedonischen Grenze leben Bären, ein Pärchen des gefährdeten Balkan-Luchses wurde gesichtet. Von den rund 2200 Meter hohen Gipfeln reicht der Blick bis zur Adria.

Albanien ist so arm, dass sich viele Bauern nicht einmal Pestizide leisten, sie verwenden seit Jahrhunderten das gleiche Saatgut. Neben dem Naturschutz hat auch die albanische Küche aus dieser Not eine Tugend gemacht. Zur ausgeprägten Slow-Food-Szene gehört etwa TV-Master Chef Gëzim Musliaka, der traditionelle Rezepte sammelt, wie das in Joghurt marinierte und gebackene Lammfleisch Tave, und sie mit italienischer Technik verfeinert. Ebenso berühmt ist Familie Uka, die sich dem Anbau alter albanischer Pflanzenarten verschrieben hat. Sie betreibt einen Lehr-Bauernhof nahe der Hauptstadt Tirana. Vater Rexhep – erster demokratischer Agrarminister des Landes und Bioprofessor – experimentiert mit Insektenfallen und Gemüsesorten, deren Schädlinge sich gegenseitig fressen. Sohn Flori, studierter Önologe, sammelt und belebt einheimische Rebsorten wie den roten Kellmet. „Wir wandern durch den Garten und hoffen, dass daraus mal ein Geschäft wird“, beschreibt Vater Uka die kommerziellen Absichten des im ganzen Land bekannten Bio-Restaurants.

Albaniens Hauptstadt Tirana befindet sich immer noch im Wachstum. Shutterstock
Albaniens Hauptstadt Tirana befindet sich immer noch im Wachstum. Shutterstock

Ex-Agrarminister Uka erinnert sich an die ersten Jahre nach der Öffnung 1992, als die staatlichen Mittel kaum reichten, um eine ausgehungerte und orientierungslose Gesellschaft zu ernähren. Der Tourismus war in den 90er-Jahren nur ein ferner Stern am Himmel. Seitdem habe sich das Land verändert, aber nicht entwickelt, sagt er: „Vor zehn Jahren gab es bei uns noch die Blutrache. Heute stehen die Männer mit einem Schnauzer im Hotel und servieren Frühstück.“ Der sanfte Tourismus, er kann kommen! Stephanie von Aretin (srt)

Albanien

Hauptstadt Tirana

Bevölkerung 2,873 Millionen (2017)

Währung Albanischer Lek

Sprache Albanisch

Zeitzone UTC+1 MEZ und UTC+2 MESZ (März bis Oktober)

Anreise Flüge nach Tirana mit Wizz Air ab Memmingen