Wolfgang Burtscher

Dieser Sonntag bedeutet eine Zäsur in Österreich, wie sie in diesem Ausmaß nicht einmal ansatzweise zu erwarten war, abgesehen von der erneuten Pleite der Meinungsforschung: Enormer Bedeutungsverlust für die einstigen Großparteien SPÖ und ÖVP, Abwahl des bisherigen Systems mit Machtaufteilung zwischen Rot und Schwarz und ein Aufschrei der Bürger mit einem einzigen Wunsch: Veränderung! In allen bisherigen Präsidentschaftswahlen hatten SP und VP zusammen immer um die 80 Prozent, diesmal noch ein gutes Viertel davon. Zum Handkuss kamen deren Spitzenkandidaten. Denn es war keine Persönlichkeitswahl. Es wurden nicht Hundstorfer und Khol nicht gewählt, obwohl beide herzeigbare Kandidaten waren. Das Votum galt ihren Parteien, die durch interne Querelen (Flüchtlingspolitik/SPÖ) oder illoyale Personalentscheidungen (VP) ihren Kandidaten in den Rücken gefallen sind oder sie desavouiert haben. In den meisten westlichen Demokratien würde so ein Desaster mit dem sofortigen Rücktritt der Parteiführer enden, also von Faymann und Mitterlehner, die beide ihre Partei nicht mehr in der Hand haben. Aber vielleicht kommt da eine innerparteiliche Eigendynamik in Gang.
Das Vorarlberger Ergebnis tanzt wie oft aus der Reihe. Dass Irmgard Griss aus dem Stand, ohne Parteienapparat und fast ohne Plakate, mehr als doppelt so gut abschneidet wie Khol, dass Hundstorfer das jämmerliche SP-Ergebnis der letzten Landtagswahl nochmals halbiert, das müsste innerparteilich zu Diskussionen führen. Aber da sich Wallner und Ritsch im Wahlkampf nicht gerade einen Hax’n für die eigenen Kandidaten ausgerissen haben und viele eigene Leute nicht zum Wählen motivieren konnten, können sie jetzt auch leicht jede Mitschuld von sich weisen.
Für SP und VP ist das Ergebnis ein allerletzter Weckruf. Aber wenn wir jetzt in beiden Parteien vielleicht ein paar neue Gesichter sehen werden, an der Grundeinstellung wird sich nichts ändern: Weiterwurschteln wie bisher, gegenseitiges Paralysieren und Schlechtreden, Lähmung anstatt Reformbereitschaft. Heißt: Nach der nächsten Wahl sind beide weg vom Fenster. Und das für lange, lange Zeit. Oder gibt es noch Wunder?
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