ÖVP macht Asylkurs des neuen Kanzlers zur Schlüsselfrage

Mitterlehner präsentiert Wunschliste. SPÖ-Landesparteien stellen sich hinter Kern.
Wien. Kanzler suchen. Erneuerung planen. Alte Dogmen abschaffen. Die SPÖ möchte sich verändern. Inhaltlich und personell. Letzteres scheint bald geklärt zu sein, formiert sich doch hinter ÖBB-Chef Christian Kern ein immer größer werdendes Lager an Landesparteien. Am Freitag könnte dazu eine Vorentscheidung fallen, am Dienstag dann der neue Parteiobmann und Kanzler offiziell präsentiert sowie beim außerordentlichen Parteitag am 25. Juni gewählt werden.
Inhaltlich allerdings scheint die Zerreißprobe der Sozialdemokraten noch nicht überwunden. Vor allem der Flüchtlingskurs, aber auch eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ könnten zur Gretchenfrage werden. Noch wichtiger sei es, „dass wir akzentuieren, wofür wir stehen“, sagt der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) im VN-Gespräch. In der Bevölkerung sei die Angst, den sozialen Status, den Arbeitsplatz und die Sicherheit zu verlieren, verbreiteter, als es die SPÖ wahrhaben wollte, erklärt er. Schwerpunkte müssten daher im Bereich des Arbeitsmarktes, der Bildung, leistbarem Leben und der Gesundheit gesetzt werden. Das alte Dogma, ob die Sozialdemokraten nun mit der FPÖ zusammenarbeiten dürften oder nicht, sei dabei nicht hilfreich. Es gehöre über Bord geworfen. „Wir müssen uns an uns selbst orientieren und nicht an einer anderen Partei. Wir sollten klare Grundsätze festschreiben, von einem Bekenntnis zu Europa über die Sozialpartnerschaft bis hin zur Demokratie“, sagt Kaiser. Und auf Basis dieser Leitlinie sollte dann jede SPÖ-Parteiorganisation auf der jeweiligen Ebene selbst klären, mit wem sie koalieren kann. „Die SPÖ in Frastanz muss ja selbst entscheiden, ob die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit einer anderen Partei gegeben ist oder nicht“, meint der Kärntner Landeshauptmann. Außerdem hofft er, dass die SPÖ ihre Leistungen künftig besser kommuniziere. Das sei noch die Achillesferse der Sozialdemokratie und könne sich mit dem neuen Kanzler ändern. Sowohl Kaisers Favorit Christian Kern als auch Medienmanager Gerhard Zeiler wüssten, wie man Errungenschaften richtig verkaufe. Ob oder wer von den beiden Faymanns Nachfolge antritt, gelte es nun rasch zu klären. Dann solle die inhaltliche Neuerung auf Schiene gebracht werden. Das neue Parteiprogramm möchte die SPÖ bei einem Parteitag im November präsentieren. Ob sie die Mitglieder im Vorfeld befragt, ist offen. „Bis jetzt steht es nicht auf der Agenda“, sagt Kaiser.
Mitterlehner muss ausloten
Der neue Kanzler könnte bereits am kommenden Mittwoch den Ministerrat leiten und Reinhold Mitterlehner die Regierungsgeschäfte wieder abgenommen haben. Am Dienstag trat der ÖVP-Chef noch alleine vor die Journalisten – mit einer Wunschliste an sein künftiges Gegenüber. Der aktuelle Asylkurs müsse gehalten, der Standort gestärkt und der Stil der Regierungsarbeit verbessert werden. Die Landesparteichefs bekräftigten die Forderungen Mitterlehners. „Wir haben ihn beauftragt, die weiteren Gespräche zu führen“, sagt der Vorarlberger Landeschef Markus Wallner (ÖVP) nach der ÖVP-Vorstandssitzung am Dienstag. Niemand wolle eine Neuwahl überstürzen. Zuerst müsse Mitterlehner prüfen, ob er mit seinem neuen Gegenüber weiterkommen und die richtigen Schritte setzen könne, meint Wallner. An Ideen mangle es nicht, höchstens am gemeinsamen Willen, diese Ideen anzupacken. Das gehöre von Mitterlehner ausgelotet.
Unverrückbar sei allerdings der Asylkurs. „Es gibt eine ausverhandelte Strategie zwischen Bund und Ländern. Die alles entscheidende Frage wird sein: Ist der neue Kanzler willens, die Obergrenzen einzuhalten, zu den neuen Gesetzen zu stehen und auch eine mögliche Grenzverschärfung mitzutragen?“, sagt der Landeshauptmann. Sollte die SPÖ eine Kursänderung wünschen, „wird es wirklich schwierig“. Aussprechen wollte es niemand in der ÖVP, Neuwahlen wären dann aber wohl die Konsequenz.
Schwere Koalition
Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) schließt Neuwahlen nicht aus: „Wer mit der ÖVP in einer Koalition ist auf Bundesebene, der muss damit rechnen, dass plötzlich Gründe von der ÖVP konstruiert auftauchen, dass die Koalition beendet wird.“
Wir müssen das alte Dogma, dass die SPÖ nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten darf, ersetzen.
Peter Kaiser

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