Eine historische Pattstellung im Rennen um die Hofburg

Wer Bundespräsident wird, ist offen. Die Briefwahlstimmen
werden entscheiden.
Wien. Noch nie war ein Rennen um das Amt des Bundespräsidenten so knapp. Das bisher offizielle Ergebnis von Sonntagabend ließ den Ausgang völlig offen. Grund dafür sind die gut 700.000 Wahlkarten, die per Briefwahl übermittelt wurden. Diese werden erst heute, Montag, ausgezählt. Dann steht fest, ob Norbert Hofer (FPÖ) oder der von den Grünen unterstütze Alexander Van der Bellen das Rennen um die Hofburg für sich entschieden hat.
Zwar liegt der Freiheitliche laut vorläufigem Endergebnis mit 51,9 Prozent der Stimmen vorne. Van der Bellen, der von 48,1 Prozent der Bürger in den Wahllokalen gewählt wurde, könnte aber mit den Briefwahlstimmen noch aufholen. Während die Schätzung der ARGE Wahlen Hofer hauchdünn vorne sieht, liegt bei dem Meinungsforschungsinstitut SORA Van der Bellen knapp mit 2900 Stimmen voran. Laut Robert Stein, Chef der Wahlkommission, werden die Wahlkarten erst am Montagnachmittag fertig ausgezählt sein.
Kandidaten zurückhaltend
Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer waren daher am Sonntag noch zurückhaltend. Er sei ein Optimist und bleibe dies auch, sagte der freiheitliche Kandidat. Das Wahlergebnis zeige, dass sich die Zeiten ändern. Die Zweite Republik definiere sich nicht mehr durch Rot und Schwarz, sagte Hofer bei der Hofburg-Sendung der Bundesländerzeitungen und der Tageszeitung „Die Presse“. Doch es werde auch weitergehen, wenn es manche Parteien nicht mehr gebe, fügte er hinzu.
Einen klaren Einschnitt sieht auch der frühere FPÖ- und Liberales-Forum-Politiker Friedhelm Frischenschlager in dem Wahlergebnis. Es verkörpere mehr als nur eine politische Episode des Landes. „Das ist der Zusammenbruch des traditionellen Parteiensystems der Zweiten Republik. Was nun daraus wird, ist sehr offen“, sagte der ehemalige FPÖ-Klubobmann, der die Partei 1993 gemeinsam mit Heide Schmidt verließ und das LIF gründete. Dass die FPÖ immer wieder über die Zusammenlegung der Ämter von Bundespräsident und -kanzler nachgedacht habe, hält er für problematisch: Österreich müsse nun gut aufpassen, dass das Land keine „schleichende Orbanisierung“ erlebe, warnte Frischenschlager.
Auf Aufholjagd
Fest steht, Alexander Van der Bellen konnte deutlich aufholen. Im ersten Wahlgang lag er noch 14 Prozentpunkte hinter Norbert Hofer. Der frühere Grünen-Chef gab sich daher „vorsichtig zuversichtlich“. Er sei nicht überrascht von dem knappen Ergebnis, sagte der 72-Jährige. Egal wie die Wahl nun ausgehe, er habe große Aufgaben vor sich: „Ich möchte die aufgerissenen Gräben wieder zuschütten“, sagte Van der Bellen. Im Falle eines Sieges, will er auf die Hofer-Anhänger zugehen. Auch sein freiheitlicher Kontrahent meinte: „Die Person, die gewinnt, wird die Aufgabe haben, Österreich zu vereinen.“ Das Ergebnis verdeutlicht, wie stark der Wahlkampf polarisierte. Laut SORA hatte ein beachtlicher Anteil der Wähler das Ziel, mit ihrer Stimme den jeweils anderen Kandidaten zu verhindern. 40 Prozent der Bürger, die Alexander Van der Bellen wählten, haben nach ihren eigenen Angaben „gegen rechts“, also gegen Norbert Hofer, gestimmt. Für 23 Prozent der Wähler des freiheitlichen Kandidaten wiederum war „Van der Bellen nicht wählbar“. Alle anderen Motive seien deutlich in den Hintergrund getreten, sagte Peter Hajek von SORA.
Hofer habe aber im Gegensatz zu Van der Bellen auch mit Sympathie punkten können. Für 27 Prozent hatte der FPÖ-Kandidat ein gutes Auftreten. Weitere 20 Prozent hielten ihn für jung und dynamisch. Laut Hajek spielte das Flüchtlingsthema zwar eine wichtige Rolle, es sei schlussendlich aber nicht so dominant gewesen. Van der Bellen punktete bei 15 Prozent mit den Attributen erfahren, kompetent, intelligent und seriös. Bei dem von den Grünen unterstützten Kandidaten kam auch das Thema als Motiv zum Tragen, wie er Österreich im Ausland vertreten wird.
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