Flug 004: Reise in die Katastrophe

Spezial / 25.05.2016 • 17:57 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Ein Foto, das um die Welt ging. Airliner Niki Lauda an der Absturzstelle in Thailand. Unter den 223 Opfern waren auch elf Vorarlberger. Sieben (Faksimile rechts) von ihnen waren Studenten und Wissenschafter der Uni Innsbruck.
Ein Foto, das um die Welt ging. Airliner Niki Lauda an der Absturzstelle in Thailand. Unter den 223 Opfern waren auch elf Vorarlberger. Sieben (Faksimile rechts) von ihnen waren Studenten und Wissenschafter der Uni Innsbruck.

Heute jährt sich Lauda Air-Absturz zum 25. Mal. Elf Vorarlberger waren unter den 223 Toten.

Hard. Die Lauda Air-Maschine wartet am Flughafen in Bangkok auf die letzten Passagiere. Beim planmäßigen Zwischenstopp sollen 88 Gäste zusteigen – unter ihnen auch Heinz Witzemann (33) aus Hard, seine Lebensgefährtin Magali Landeval und das befreundete Paar Harald Gröschenig und Sabine Rusch aus Bregenz.

Die Boeing 767-300 mit ihrer zehnköpfigen Crew war mit 125 Passagieren an Bord zuvor in Hongkong gestartet. Auch sieben Vorarlberger Studenten und Wissenschafter, die an einer zehntägigen Exkursion des Instituts für Finanzwissenschaften der Uni Innsbruck teilnahmen, waren an Bord, als Flug 004 vom Stopp in Bangkok mit Reiseziel Wien-Schwechat abhob. Es sollte ein Flug in die Katastrophe werden, die bis heute größte in der österreichischen Luftfahrt.

Die letzten Minuten an Bord

Im Cockpit der auf den Namen Mozart getauften erst eineinhalb Jahre alten Boeing sitzt Tom Welch (48), ein erfahrener US-Pilot und sein Co Josef Thurner (41). Zwölf Minuten lang verläuft der Flug von Bangkok nach Wien planmäßig, bis ein Warnlicht für die Schubumkehr aufleuchtet. Das sollten später die Aufzeichnungen des Voice-Recorders ergeben. Es war der Beginn einer Reise in den Tod.

Im Cockpit kommt Hektik auf. „Shit“, sagt Thurner. Er will von Welch wissen, ob er einen Techniker kontaktieren soll. Da ist es 23.25 Uhr. Das Warnlicht leuchtet bereits seit vier Minuten. Der Copilot hatte auch bereits im Handbuch nachgeschaut. Um 22.30 meldet Thurner: „Die Umkehr ist an.“ 19 Sekunden später sind die letzten aufgezeichneten Worte des Piloten zu hören. „Verdammt!“. Weitere sieben Sekunden vergehen bis zum Knall. Thailändische Augenzeugen berichteten später von einem hellen Feuerball am Himmel. Die Boeing stürzt 240 Kilometer nordwestlich von Bangkok in ein Dschungelgebiet. 223 Menschen verlieren ihr Leben.

In Vorarlberg ist es bereits später Abend, als erste Meldungen über die Nachrichtenticker laufen. „Lauda-Absturz: über 213 Tote! Möglicherweise auch Vorarlberger an Bord“ titelten die VN am darauffolgenden 27. Mai 1991. Zu dieser Zeit hätte Flug 004 in Wien-Schwechat landen sollen. Die Anzeigentafeln waren allerdings bereits seit Stunden schwarz.

Schreckliche Gewissheit

In Hard erfährt der heute 89-jährige Werner Witzemann vom Unglück und macht sich auf den Weg ins Landesreisebüro nach Bregenz. Sein Sohn Heinz hatte dort eine Bilderbuchkarriere hingelegt: in wenigen Jahren auf den Chefsessel als einer von zwei Direktoren des Instituts. Für Werner Witzemann wurden die schlimmen Befürchtungen Gewissheit. „Sein Name stand auf der Passagierliste. Ich wusste, unser Bub kommt nicht mehr nach Hause“, erinnert er sich im VN-Gespräch.

Er musste die Familie informieren. „Meine Frau hat das kaum verkraftet.“ Und auch für den zweiten Sohn, Thomas, brach eine Welt zusammen. „Diesen Moment vergisst man nie mehr“, sagt der Diplom-Krankenpfleger. „Wie soll am nächsten Tag die Sonne aufgehen. Man fällt in eine totale Leere“, beschreibt Thomas Witzemann die ersten Tage nach dem Unglück. Es war erst der Anfang eines langen Leidensweges. Bis die Leiche seines Bruders identifiziert war, dauerte es Monate. Unterstützung in der Trauer gab es kaum. „Mal abgesehen vom Gemeindepfarrer“, sagt Witzemann. Die Familie sei in dieser Zeit auf sich allein gestellt gewesen.

Treffen der Hinterbliebenen

Der Lauda Air-Absturz jährt sich zum 25. Mal. Das Unglück hat bei den Angehörigen Spuren hinterlassen. Thomas Witzemann hat gemeinsam mit der Journalistin Jenny Maaß für heute ein Treffen der Hinterbliebenen in Salzburg organisiert. Gemeinsam über das Unglück zu sprechen, lindere den Schmerz, sagt der 52-jährige. Die Krisen- und Trauerbegleiterin Astrid Bechter-Boss begleitet die Angehörigen. Hilfe, die es unmittelbar nach der Tragödie nicht gab.

In Thailand, rund 90 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt, gibt es eine Gedenkstelle. Einmal wolle er dorthin, wo sein Bruder starb, sagt Thomas Witzemann. Auch das gehört für ihn zur Trauerbewältigung.

Flug 004: Reise in die Katastrophe
Die VN berichteten bereits am 27. Mai 1991 ausführlich über den Absturz.
Die VN berichteten bereits am 27. Mai 1991 ausführlich über den Absturz.
Flug 004: Reise in die Katastrophe
Thomas Witzemann (52) verlor seinen Bruder.
Thomas Witzemann (52) verlor seinen Bruder.
Heinz Witzemann aus Hard starb mit 33 Jahren beim Absturz der Lauda Air in Thailand, wo später eine Trauerstätte errichtet wurde. Foto: VN
Heinz Witzemann aus Hard starb mit 33 Jahren beim Absturz der Lauda Air in Thailand, wo später eine Trauerstätte errichtet wurde. Foto: VN

Voice-Recorder. Die letzten Minuten

23.21:21 Uhr: Warnlicht geht an. „Shit“; Co-Pilot

23.21:24 Uhr: „Die hält … Die geht an!“; Pilot

23.23:57 Uhr: „Was sagt das da über diese“ (Auslösung der Schubumkehr im Flug); Pilot

23.24:00 Uhr: Liest aus Handbuch: „Zusätzliche Systemausfälle können eine Aktivierung im Flug verursachen. Gehen Sie nach der Landung von normalem Umkehrbetrieb aus.“; Co-Pilot

23.25:19 Uhr: „Soll ich das Bodenpersonal fragen?“; Co-Pilot

23.25:26 Uhr: „Es ist einfach, es ist, es ist, einfach – äh, nein, äh, es ist wahrscheinlich, äh, na ja … äh, Feuchtigkeit oder irgendwas, oh, es geht an und aus.“; Pilot

23.26:50 Uhr: „ Er fängt an, auf Deutsch Zahlen zu addieren.“; Co-Pilot

23.30:37 Uhr: „Die Umkehr ist an!“; Co-Pilot

23.30:41 Uhr: „Jesus Christ!“; Pilot (Sirenenwarnton setzt ein)

23.30:53 Uhr: „Hier, warte einen Moment!“; Pilot

23.30:58 Uhr: „Verdammt“; Pilot

23.31:05 Uhr: Knall

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.