Die Kultur gibt den Menschen Orientierung

Die Eröffnung der 71. Bregenzer Festspiele wurde zum feierlichen und nachdenklichen Akt.
Bregenz. Rund 200.000 Menschen werden in den nächsten fünf Wochen nach Bregenz kommen bzw. dort das kulturelle Angebot wahrnehmen, das ihnen die Bregenzer Festspiele zum 71. Mal bieten. Größter Anziehungspunkt ist und bleibt die Seebühne, auf der Puccinis Oper „Turandot“ gespielt wird, während es im Festspielhaus mit „Amleto“ (Hamlet) eine Oper von Franco Faccio nach dem berühmten Drama von Shakespeare zu entdecken gibt. An den weiteren Schauplätzen agieren junge Sänger in „Don Giovanni“, und es gilt im besonderen Maß der Reflexion und der Gesellschaftskritik – etwa mit Otto M. Zykans „Staatsoperette“.
So weit sei das Kommende skizziert, eröffnet wurden diese 71. Bregenzer Festspiele ohne den Bundespräsidenten. „Es wird aber auch ein Sommer sein, der von einer neuerlichen Wahlauseinandersetzung geprägt sein wird“, verwies Nationalratspräsidentin Doris Bures in ihrer Eröffnungsrede auf die anstehende Wahlwiederholung: „Ebenso wie die Kunst, so lebt auch die Demokratie von Kontroversen und dem Umgang mit ihnen. Das steht außer Frage. Zentral ist aber, wie diese Kontroversen geführt werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es um einen Wettstreit der Ideen und Visionen gehen muss. Im Zentrum muss immer die Frage stehen: Wie können wir Brücken bauen und Gräben zuschütten? Wie können wir die Gesellschaft einen und damit Österreich stärken? Es geht um die Verantwortung für das Ganze, für die Gesellschaft, den Staat, für unser demokratisches Gemeinwesen und seine Menschen. Und diese Verantwortung für das Ganze tragen nicht nur Einzelne. Es ist dies Auftrag an uns alle: an Politik und Medien, an Zivilgesellschaft und Kunst.“
Im Hinblick auf die Tatsache, dass die EU erstmals in ihrer Geschichte einen Mitgliedsstaat verlieren wird, appellierte die Nationalratspräsidentin an alle zu verhindern, dass der Vertrauensverlust der Menschen in das europäische Projekt, „den Garanten unseres friedlichen Zusammenlebens“, weiter voranschreitet.
Besseres Miteinander
Dass Kunst dem Menschen Orientierung gibt, stellte Kulturminister Thomas Drozda in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Im Hinblick auf die Geschichte der Festspiele erläuterte er, dass aus solchen Erfahrungen auch deutlich wird, wie wichtig die Rolle von Kultur ist, um den Menschen Orientierung zu geben und gerade in schwierigen Zeiten einen geistigen Neuaufbau zu ermöglichen. Der Kulturminister hob dabei auch die Rolle der Wiener Symphoniker in Bregenz hervor. Diesbezüglich befand er sich in guter Gesellschaft, ließ das Publikum doch keinen Moment aus, um sich bei den Symphonikern mit entsprechendem Applaus zu bedanken.
„Es ist die Kunst, die uns zu erkennen hilft, was richtig und was falsch ist, was menschlich geboten und was unmenschlich und zynisch ist. Sie lässt uns über ein besseres Miteinander nachdenken, über Gerechtigkeit und menschliche Größe. Kunst hilft uns dabei, versteckte Gefährdungen für diese errungene Zivilisation beim Namen zu nennen“, betonte Drozda. Daher hätten wir auch die Verantwortung, eine freie Entwicklung der Kunst zu ermöglichen, so wie es verfassungsmäßig garantiert ist. „Wir haben aber auch Verantwortung, was die Finanzierung betrifft: Kunst braucht sich nicht über Umwegrentabilitäten zu rechtfertigen. Sie ist der Reichtum unserer Gesellschaft“, so der Bundesminister.
Und auch Festspiel-Präsident Hans-Peter Metzler schloss sich den Appellen an. Offenheit sei eine „unabdingbare Voraussetzung“ für Kunst. Es gehöre zum Selbstverständnis der Bregenzer Festspiele, dass sie Bedingungen und Möglichkeiten erhalten bzw. schaffen, die Menschen über die Kunst zusammenzubringen.
Wir müssen verhindern, dass der Vertrauensverlust in das europäische Projekt voranschreitet.
NR-Präsidentin Doris Bures
