Christa Dietrich

Kommentar

Christa Dietrich

Offensichtlich innovativ

Spezial / 20.07.2016 • 22:28 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Wenn die Leute gar nicht gehen wollen, dann hat man jedenfalls nichts falsch gemacht. So geschehen am Mittwochvormittag um kurz vor zwölf Uhr im Bregenzer Festspielhaus, als die Wiener Symphoniker den letzten Ton ausklingen ließen und sich erhoben. Schon der Applaus zuvor war sehr herzlich, wohl nicht nur, weil das Orchester seit Anbeginn der Festspiele nach Bregenz kommt, also immer dabei war, sondern weil es im Rahmen der Aufgaben, die die Kultur hat und die bei der offiziellen Eröffnung auch speziell angesprochen wurden, eine besondere Rolle spielt. In Bregenz darauf zu verweisen, dass die Musiker auf eigene Initiative jeweils am 8. Mai aus Anlass des Kriegsendes auf dem Wiener Heldenplatz spielen und damit die „Deutungshoheit“ über den 8. Mai wieder erlangten, muss einen besonderen Grund haben. Aber nicht nur Kulturminister Thomas Drozda zielte in seiner ersten Rede in Bregenz als Mitglied der Bundesregierung auf die Tatsache, dass die Kultur den Menschen Orientierung gibt, dass die Kunst uns zu erkennen hilft, was menschlich geboten und was unmenschlich und zynisch ist.

 

Schon in früheren Eröffnungsansprachen waren solche Verweise zu vernehmen, denn es gibt derer nie zu viel.

Dass die Spiele auf und am Ufer des Bodensees auch mit Festcharakter einhergehen, ist nur dann kritisch zu sehen, wenn dieser Aspekt überhand nimmt. Wer die Festspielprogramme über die Jahre mitverfolgte, der weiß nur zu gut, welche Anstrengungen die Verantwortlichen unternommen haben, damit die Vielfalt des Gebotenen erhalten bleiben kann. Die Festspiele brauchen ihr Seestück, sie brauchen aber auch die Musiktheaterproduktionen im Haus, die Projekte auf der Werkstattbühne sowie jene am Kornmarkt und an weiteren Schauplätzen. Dass den dortigen Produktionen besondere Aufmerksamkeit gilt, haben die Intendanten Alfred Wopmann und David Pountney stets bewiesen, und auch Elisabeth Sobotka arbeitet nicht nur auf eine Uraufführung hin, sie bietet mit Faccios „Amleto“ eine Entdeckung, die mit ziemlicher Sicherheit ein Thema wird. So gesehen schenkt man den Worten von der Verantwortung für die freie Entwicklung der Kunst besondere Aufmerksamkeit. Und wenn Thomas Drozda dann noch anführt, dass Kunst sich nicht über Umwegrentabilitäten zu rechtfertigen braucht, erinnert man sich an die jahrelang andauernden Verhandlungen um eine Subventionsanpassung. Somit müssen die Festspiele den offensichtlich innovativen Charakter ihres Gesamtprogrammes nicht mehr zusätzlich ins Treffen führen.

So gesehen schenkt man den Worten von der Verantwortung für die freie Entwicklung der Kunst besondere Aufmerksamkeit.

christa.dietrich@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-225