Neue Erklärung für Zukunft der EU

Zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge
suchen EU-Staaten nach neuen Impulsen.
rom, brüssel. (VN-hrj) Am 25. März 1957 hoben sechs Staaten ein Bündnis aus der Taufe, dem heute 28 Staaten angehören: die Europäische Union. Und diese ist jetzt, vertreten von 27 Staats- und Regierungschefs, nach Rom zurückgekehrt, wo die Römischen Verträge unterzeichnet wurden. Österreich ist durch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vertreten. Großbritannien ist nicht dabei.
Am Freitagabend empfing Papst Franziskus die EU-Staats- und Regierungschefs im Vatikan. Er rief dazu auf, das europäische Projekt mit Leben zu erfüllen und ihm neuen Schwung zu geben. „Das erste Element europäischer Lebenskraft ist die Solidarität“, sagte der Papst. An der Audienz nahm auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker teil.
Gipfel nach Papst-Empfang
Heute, am Samstag, kommen die Spitzenpolitiker zu einem Sondergipfel im Konservatorenpalast auf dem Kapitolshügel zusammen. Viele Gipfelteilnehmer reisten wohl mit der Hoffnung an, dass ein Besuch an der Wiege der Gemeinschaft dem Projekt der europäischen Einheit mehr Schwung verleiht. Doch der größte Rückschlag in der EU-Geschichte steht bereits im Terminkalender: Noch im Laufe der kommenden Woche wird Großbritannien offiziell seine Absicht zum Austritt aus der EU erklären und damit als erstes Land dem Staatenbündnis den Rücken kehren. Das Prinzip einer immer engeren Union war lange das Mantra der EU. Die Mitglieder sollten nahtlos zusammenarbeiten und gemeinsam einen wirtschaftlichen und politischen Giganten formen. Heute denken zwar nicht alle an Scheidung wie die Briten, doch einige sehnen sich nach einer Beziehung, in der die Partner getrennt voneinander leben.
Höhepunkt der heutigen Feiern ist die Annahme einer Römischen Erklärung, die den künftigen Weg der Union beschreiben soll. Doch zumindest zwei Länder haben Einwände gegen die Erklärung, die den meisten anderen als eine eher harmlose Absichtserklärung aller EU-Partner erscheint. Polen scheint entschlossen, nach dem Austritt Großbritanniens das bockigste EU-Land zu werden. Immer noch verärgert über die Wiederwahl ihres liberalen Landsmanns Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten, verlangte die rechtsnationale Regierung in Warschau viele Zusicherungen, bevor sie am Freitag die Erklärung doch noch abnickte. Störrisch zeigte sich auch das von der Finanzkrise gebeutelte Griechenland. Ministerpräsident Alexis Tsipras, dessen Regierung für Notkredite harte Sparauflagen akzeptieren musste, will „Nein sagen zum Europa der Angst, der Arbeitslosigkeit, der Armut und Ja sagen zum Europa, das sich sozialer Nöte annimmt“.
So könnte dieser EU-Gipfel in Rom trotz aller Einheitsbeteuerungen zu einem Wendepunkt werden – vielleicht hin zu kleineren Allianzen, die innerhalb der Union in bestimmten Fragen zusammenarbeiten.
Österreich und die EU
Unter den österreichischen Politikern, die sich anlässlich der 60-Jahre-EU-Feier äußerten, waren SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka und Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Schieder forderte „mehr Europa, aber mehr von einem sozialen Europa“. Reinhold Lopatka will indes eine „Balance zwischen supranationaler Zusammenarbeit und starken Nationalstaaten“ und sprach sich dafür aus, dass die EU in der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik „entschlossen und geschlossen“ auftrete. Glawischnig sprach sich für mehr Demokratie aus und forderte eine Überwindung der Blockaden der nationalen Regierungen in Sachen Flüchtlings-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik.

Stichwort
Die römischen Verträge. Am 25. März 1957 wurden in der italienischen Hauptstadt die sogenannten Römischen Verträge unterzeichnet. Mit ihnen wurde die Vorgängerin der EU, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), gegründet. Sie trat Anfang 1958 in Kraft. Die sechs Signatarstaaten – Italien, Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg – gründeten mit den Verträgen einen gemeinsamen Markt mit freiem Personen-, Dienstleistungs-, Kapital-, und Warenverkehr.
1992 wurde mit dem Vertrag von Maastricht die Europäische Union (EU) gegründet, die Zuständigkeiten in nichtwirtschaftlichen Politikbereichen bekam.
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