„Im Grunde hat jeder ein gutes Herz“

Österreichs neuer Fußball-Teamchef Franco Foda gibt Einblicke, auch abseits des Fußballsports.
Marbella ÖFB-Teamchef und Noch-Sturm-Trainer Franco Foda im Gespräch über seine schwierigste Entscheidung, Energieräuber, Gabalier, Hobbys, Privilegien und darüber, wann der Italiener in ihm durchkommt. In Marbella leitete er gestern erstmals das Training, bei dem David Alaba wegen einer Muskelverletzung im linken hinteren Oberschenkel fehlte. Der Bayern-Legionär musste deshalb für das Uruguay-Spiel absagen, für ihn wurde Stefan Schwab nachnominiert.
Sie sind neuer Fußball-Teamchef Österreichs und müssen dafür den SK Sturm verlassen, Ihre zweite große Liebe neben Ihrer Frau Andrea. Wie schwer fällt Ihnen das?
Foda Ich bin ein absoluter Familienmensch. Die Frau und meine Söhne sind das Wichtigste in meinem Leben. Die Entscheidungsfindung, Teamchef zu werden, war somit die schwierigste in meinem ganzen Leben. Sturm ist ein geiler Verein mit einer spiel- und charakterstarken Mannschaft, tollen Fans und einem super Umfeld, in dem man sich wohlfühlt. Ich war so lange bei Sturm, habe alles durchlaufen, von der Pike auf den Trainerjob gelernt, alle Höhen und Tiefen durchgemacht. Diese Dinge binden einen.
Die Liaison mit dem SK Sturm hat vor 20 Jahren begonnen. Ist das mit einer Ehe zu vergleichen mit all den Höhen und Tiefen?
Foda Ich hatte Gott sei Dank in meiner Ehe fast nur Höhen, sonst bist du nicht 30 Jahre verheiratet, und eigentlich habe ich bei Sturm auch fast nur Höhen erlebt. Da gab es nur wenige Ausnahmen wie den Konkurs und die Beurlaubung 2012. Alles andere ist Kinderkram, das musst du als Trainer aushalten. Das Gute bleibt bei mir hängen, das Schlechte schiebe ich meistens beiseite. Das gilt auch für die Zeitungen. Ich lese nur das Positive, das Negative schmeiße ich sofort in den Mülleimer.
Wie sieht es mit Internet aus?
Foda Da bin ich nicht unterwegs. Ich habe weder Facebook noch Instagram. Mit den Leuten, die anonym Kommentare abgeben, kann ich nichts anfangen. Wenn ich etwas sage, muss ich zu meiner Meinung mit meinem Namen stehen. Wenn du in der Öffentlichkeit stehst und dich mit solchen Dingen beschäftigst, hast du keine Lebensqualität mehr. Das sind Energieräuber.
Sie haben in Ihrer Antrittsrede beim ÖFB gesagt, dass man mit Ihnen Spaß haben kann.
Foda Spaß ist im Leben generell ganz wichtig. Nicht nur im privaten Leben, sondern auch im Sport. Man geht ja nicht jeden Tag mit der gleich guten Laune in die Arbeit. Aber man muss es ermöglichen, dass die Spieler Freude haben. Wenn sie wissen, dass da jemand ist, der nicht bereit ist, Spieler zu verstehen oder zuzuhören, werden sie keinen Spaß haben.
War der Spieler Franco Foda ein anderer als der Trainer?
Foda Ganz klar. Mit 17 bist du manchmal verrückt. Wenn man selbst aktiv war, kann man die Spieler gut verstehen. Es gibt einfach unterschiedliche Charaktere, jeder tickt anders. Man muss einfach ehrlich miteinander umgehen. Ich mag Leute nicht, die ein falsches Spiel treiben. Da reagiere ich allergisch und bin dann auch konsequent, Spieler zu eliminieren.
Sie nehmen also für den Trainerjob Anleihe bei Ihrer eigenen persönlichen Entwicklung?
Foda Jeder durchlebt einen Entwicklungsprozess. Mit 20 habe ich geheiratet, dann sind die Kinder gekommen. Da bist du als Familienmensch ganz anders, du verstehst viel mehr. Du hast eine ganz andere Verantwortung, als wenn du mit 17, 18 in den Tag hineinlebst, Party machst. Wenn du jünger bist, kannst du ja noch am Wochenende fortgehen, viel trinken und bist wieder rasch fit. Wenn du älter wirst, schaffst du das nicht mehr.
Warum kommen Sie mit schwierigen Charakteren so gut zurecht?
Foda Ich glaube, weil ich als Spieler selbst nicht ganz so einfach war. Ich habe schon früh Dinge angesprochen, vor allem intern. Insofern versuche ich, die Spieler zu verstehen. Es gibt aber eigentlich keine schwierigen Typen. Im Grunde hat jeder ein gutes Herz. Du musst als Trainer versuchen, an sie ranzukommen.
Ihr Vater war Italiener, Sie sind in Deutschland aufgewachsen und in Österreich sesshaft geworden. Wie würden Sie sich selbst hier einordnen?
Foda In mir steckt von allem etwas drin. Man sieht, dass ein bisschen Italiener in mir steckt, was meine Emotionalität betrifft. Der Großteil ist deutsch, was Ordnung, Disziplin und Arbeit betrifft. Aber auch sehr viel Österreich steckt in mir, ich lebe ja seit 20 Jahren hier. Du musst dich mit den Eigenheiten beschäftigen. Was sich neckt, das liebt sich. Das bringt es, glaube ich, auf den Punkt.
Sie sind ja gewissermaßen ein Einwanderer. Hatten Sie von Beginn an das Gefühl, herzlich aufgenommen worden zu sein?
Foda Ja, deshalb sind während meiner Kaiserslautern-Zeit meine Frau und die Kinder hiergeblieben, weil wir uns wohlfühlen, viele Freunde haben. Wir schätzen die hohe Lebensqualität in Österreich, die Menschen sind sehr nett, man hat viel Spaß.
Wie stehen Sie zum äußeren Erscheinungsbild, betrachten Sie sich als modebewusst?
Foda Generell lege ich darauf schon Wert, jeder hat eine gewisse Eitelkeit. Vielleicht kommt da etwas der Italiener in mir durch. Hin und wieder berät mich auch meine Frau.
Sie schätzen Andreas Gabalier. Warum?
Foda Er ist Grazer und eine Bereicherung für die Musikszene. Ich war bei seinem Konzert in München. Da kommt ein Österreicher nach Deutschland und es sind 100.000 Leute im Stadion. Das hat schon eine Bedeutung. Mir hat imponiert, dass er sich vor seinem Auftritt unter die Menschen begeben hat und einer von ihnen war. Das ist auch ein Lebensmotto von mir. Wir, Trainer und Spieler, sind in einer privilegierten Situation. Uns muss bewusst sein, wie viele Menschen es gibt, die eine Freude haben, wenn sie ein Autogramm bekommen, ein Foto machen können. Bodenständigkeit und Demut sind Begriffe, die für mich einen extremen Wert darstellen. So sehe ich auch Gabalier. Er hatte in seinem Leben schwierige Situationen zu meistern. Da musst du dich rauskämpfen und wieder den Blick nach vorne richten.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit sonst noch?
Foda Ich bin großer Musikfan, gehe gerne auf Konzerte, zuletzt zu James Blunt und Andrea Bocelli. Mir gefällt Helene Fischer extrem gut, aber ich mag auch Cirque du Soleil oder Musicals.
Wie verhält es sich mit Reisen?
Foda Früher gab es die Familienurlaube, um richtig abzuschalten. In den letzten Jahren hat es sich dann aufgrund anderer Interessen so entwickelt, dass wir mit Freunden Städtereisen unternommen haben. Das ist wichtig für den Kopf.
Sie sprechen nur selten darüber, aber Sie verfügen über eine starke karitative Ader. Worauf ist das zurückzuführen?
Foda Ich muss das nicht in der Öffentlichkeit breittreten. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und kann gut davon leben. Meine Eltern waren früh geschieden, meine Mutter musste drei Kinder ernähren. Ich habe auch diese Seite kennengelernt. Es ist wichtig, alle Facetten zu sehen und zu wissen, was in der Welt vor sich geht. Ich schaue über den Tellerrand hinaus, aber damit muss man nicht hausieren gehen. Man macht es, aber in Ruhe.
Wie wichtig ist Ihnen Freundschaft?
Foda Freundschaft ist ein wichtiger Faktor. Richtige Freunde, die in schwierigen Zeiten zu dir stehen und immer für dich da sind, gibt es nicht viele. Ich habe einige, da bin auch stolz darauf, dass man die hat. Ich habe nach meiner Bestellung als Teamchef extrem viele SMS erhalten von Ex-Spielern, auch von solchen, die bei mir nicht immer zum Einsatz gekommen sind. Das zeigt, dass man auf der menschlichen Ebene gut miteinander funktioniert. Die Spieler wissen, dass sie, wenn sie Probleme haben, immer zu mir kommen können und ich immer erreichbar bin.
Wie stehen Sie zu den enormen Ablösesummen und Gagen im internationalen Fußball?
Foda Über Moral brauchen wir da nicht mehr reden. Wenn ein Spieler 200 Millionen kostet und man heutzutage sieht, wo Geld dringend benötigt wird, wie etwa in den afrikanischen Ländern, ist das überhaupt nicht zu erklären.

Zur Person
Franco Foda
Geboren 23. April 1966 in Mainz als Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters
Familienstand verheiratet, zwei Söhne
Klubs als Spieler Mainz (1973-1981), 1. FC Kaiserslautern (1981-1984), Arminia Bielefeld (1984-1985), 1. FC Saarbrücken (1985-1987), Kaiserslautern (1987-1990), Bayer Leverkusen (1990-1994), VfB Stuttgart (1994-1996), FC Basel (1996-1997), Sturm Graz (Sommer 1997 bis Karriereende Sommer 2001)
Position als Spieler Verteidiger
erfolge als Trainer
Österreichischer Meister mit Sturm Graz (2011); Österreichischer Cup-Sieger mit Sturm (2010); zwei Europa-League-Teilnahmen mit Sturm (2009/10, 2011/12); Platz drei mit Kaiserslautern in 2. deutscher Liga (Aufstieg im Play-off verpasst/2013)
Bisherige Trainer-Tätigkeiten
Saison 2001/02 bis September 2002: Trainer Sturm Graz Amateure; September 2002: interimistischer Trainer Sturm Graz, Nachfolger von Langzeit-Coach Ivan Osim; November 2002 – Mai 2003: Cheftrainer Sturm Graz; Juni 2003 – 31. Mai 2006: Trainer Sturm Graz Amateure; 1. Juni 2006 – 12. April 2012: Cheftrainer Sturm Graz; 1. Juli 2012 – 29. August 2013: Cheftrainer 1. FC Kaiserslautern; 30. September 2014 – 31. Dezember 2017: Cheftrainer Sturm Graz; Ab 1. Jänner 2018: ÖFB-Teamchef (zuvor schon im Testspiel gegen Uruguay am 14. November)
Das Interview führten Peter Klimkeit, Michael Lorber und Hubert Gigler – www.kleinezeitung.at