„Im Auslauf wieder die Faust ballen“

ÖSV-Skispringer Gregor Schlierenzauer will am 25. November zurück auf die Schanze.
Schwarzach Er hatte das Image eines „Sunny Boys“ und musste anschließend unten durch. Nun ist Gregor Schlierenzauer zurück, auch wenn aktuell ein Seitenbandeinriss, erlitten am 30. Oktober, seinen Start im Skisprung-Weltcup am Wochenende im polnischen Wisla verhindert. Noch steht deshalb sein Wiedereinstieg in den Weltcup in den Sternen, auch wenn er am 25. November seine ersten Sprünge von einer Schanze plant. Die VN sprachen mit dem 27-Jährigen über Skispringen und seinen Kinofilm.
„Weitergehen“ heißt die Dokumentation über Sie. Warum dieser Titel?
Schlierenzauer Ich bin in einer schwierigen Zeit zur Erkenntnis gekommen: Im Leben geht es immer um das Weitergehen. Ich glaube, viele Menschen haben einen Comeback-Film erwartet, aber „Weitergehen“ ist etwas anderes. Es ist ein Menschenfilm. Ich will jeden, der die Dokumentation sieht, motivieren selbst weiterzugehen, auch wenn es mal nicht so läuft.
Warum war es Ihnen wichtig, Ihre Gedanken, Ihr Seelenheil in einem Film zu verarbeiten?
Schlierenzauer Ich hatte durch meine Pause viel Zeit, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Vielleicht war meine Knieverletzung Schicksal, denn ich hab diese Zeit gebraucht. Ich habe jetzt vor allem die Freude am Spitzensport und Skispringen wiedergefunden. Das ist für mich auch die Message des Films: Liebe, Freude und Dankbarkeit wieder zu finden, jedes für sich. Es geht um das Finden dessen, was du im Leben machen willst.
Wie war es, als Sie die Doku das erste Mal selbst gesehen haben?
Schlierenzauer Gut. Schön war das. Emotional. Und ich war dankbar.
Wird der Zugang zu sich selbst ein anderer, wenn man sich selbst auf der Leinwand sieht? Nicht als Sportler, sondern als ein zutiefst empfindsamer Mensch?
Schlierenzauer Ein bisschen schon. Ich fühle mich viel gereifter und kann jetzt gut damit umgehen, der Öffentlichkeit diesen persönlichen Blick zu ermöglichen. Der größte Druck kommt von einem selber. Immer mehr zu wollen, immer besser sein zu müssen, dieser Druck kann unerträglich werden. Und natürlich auch in der Öffentlichkeit zu stehen, immer funktionieren zu müssen und immer mehr oder weniger positiv sein zu müssen.
Wie waren die Reaktionen der Besucher?
Schlierenzauer Ich war nervöser als vor einem Weltcupspringen, und als dann so großartiges Feedback kam, auch von Vorbildern wie Toni Innauer und Ernst Vettori, war das schon ein wunderbares Gefühl.
Sind Ihnen die Fans wichtig?*
Schlierenzauer Sehr wichtig. Ich lese viele Kommentare zu meinen Facebook- und Instagram-Beiträgen, weil diese Wertschätzung etwas Besonderes ist. Ich versuche das natürlich zurückzugeben und die Fans an meiner Freude teilhaben zu lassen. Das Wichtigste ist, sich immer authentisch zu zeigen und sich nicht zu verstellen.
Sportlich? Wie schwer ist es für einen Olympiasieger, einen absoluten Dominator in der Skisprungszene, einen Weg der kleinen Schritte zurück zu wählen?
Schlierenzauer Für mich aktuell ganz leicht. Leistung misst sich nicht immer an Ergebnislisten. Es ist für mich jetzt auch kein Zurück an die Spitze, sondern eine ständige Weiterentwicklung. Ich habe, wie gesagt, viel Spaß am Skispringen und strebe nach dem perfekten Sprung. Wenn ich den in einem Wettkampf zweimal schaffe, bin ich ganz vorne dabei. Das weiß ich.
Haben Sie die Stürze verarbeitet? Oder muss man als Skispringer einfach mit der Gefahr leben?
Schlierenzauer Es ist eine gefährliche Sportart, aber auch ein wunderbares Gefühl. Ich habe die Stürze verarbeitet und gehe mit Respekt, aber ohne Angst über den Bakken.
Woher beziehen Sie heute Ihre Motivation?
Schlierenzauer Aus der Freude am Sport. Skispringen ist etwas Wunderbares. Als ich 14 war, bin ich nicht gesprungen, weil ich gewinnen wollte, sondern weil das Gefühl so lässig war. Diese Freude ist jetzt zurück.
Sie wurden immer wieder als Einzelgänger bezeichnet. Wie wichtig ist es Ihnen ein Mitglied eines Teams zu sein?
Schlierenzauer Das wird viele vielleicht überraschen, aber das Team war mir immer wichtig und viele Erfolge begründen sich daraus. Skispringen ist eben ein Einzelsport und einen gesunden Egoismus im Sport braucht es auch,
um sein ganzes Potenzial abrufen
zu können. Aber alles bis zum Sprung: Das Reisen, Essen, die Gespräche und das Abschalten werden durch das Team erleichtert und es macht mehr Spaß. Der Einzelgänger war ich oft nur in der Außensicht. Ich bin direkt aus der Kindheit zum Seriensieger hochgestiegen und habe dem Sport alles untergeordnet. Das war meine Art, um mit dem Druck der Öffentlichkeit umzugehen.
Welche Ziele hat der Skispringer
Gregor Schlierenzauer?
Schlierenzauer Nach jedem Sprung im Auslauf die Faust ballen, weil der Sprung gut war (lacht).Dann werde ich auch wieder gewinnen.

Zur Person
Gregor Schlierenzauer
Geboren 7. Jänner 1990 in Hochrum/Tirol
Größe/Gewicht 1,80 m/65 kg
Verein SV Innsbruck-Bergisel
Hobbys Fotografie, Design, Mode, Kochen, Skifahren, Golf
Größte Erfolge
Olympische Winterspiele: 1 x Gold, 1 x Silber, 2 x Bronze
Weltmeisterschaft: 6 x Gold, 5 x Silber, 1 x Bronze
Weltcup: 53 Siege, 2 x Gesamtsieger
Skiflug-Weltcup: 3 x Gesamtsieger
Vierschanzen-Tournee: Sieger 2011/12 und 2012/13