„Bin Kindergartenonkel für Erwachsene“

Olympiasieger Felix Gottwald geht auch nach seiner Sportkarriere geradlinig und sehr bewusst seinen Weg.
Schwarzach Noch bevor er am Abend in den Bezauer Wirtschaftsschulen referierte, schaute Felix Gottwald in der VN-Sportredaktion vorbei. 18 Medaillen bei Großveranstaltungen hat der ehemalige Kombinierer gewonnen, doch wichtiger, mit seinen Ansichten und Vorträgen gewinnt er heute viele Sportler und Unternehmer für sich und seinen Weg.
Wie viel Leistungssportler steckt heute noch in Felix Gottwald?
Gottwald Es steckt schon noch viel Leistungssportler in mir, weil ich mir wieder was ausgesucht habe, das mich begeistert. Im Sport war es bei mir der Balanceakt zwischen Laufen und Springen, was sich bis zum Schluss nicht ausgegangen ist. Den Mut, Dinge auszuprobieren, das lehrt dich der Leistungssport. Als Sportler lernst du schnell: Das, was du tust, musst du gerne tun, ansonsten geht es sich nicht aus. Das habe ich schon mitgenommen. Ich habe viele Sachen ausprobiert und bin wirklich glücklich mit dem, was ich jetzt mache.
Und was machen Sie nun?
Gottwald Ich bezeichne mich als Impulsgeber, obwohl das kein Job ist. Es ist lustig, aber gerade heute hatte ich einen Zettel meiner Tochter aus dem Kindergarten auszufüllen, wo nach dem Beruf von Mama und Papa gefragt wurde. Ich bin Unternehmer, selbstständig, heißt auch selbst zuständig. Auf den Zettel habe ich dann geschrieben: Kindergartenonkel für Erwachsene.
Ein Blick zurück auf Ihre unvergessliche Karriere sei erlaubt. Sie sind zurückgetreten und zurückgekommen – das ist nicht alltäglich?
Gottwald Was mich geprägt hat und öffentlich nicht wahrgenommen wurde, ist, dass das Projekt Gottwald fast im Keim erstickt wäre. Das hat angefangen, dass ich nicht den elterlichen Betrieb übernehmen, sondern ins Skigymnasium nach Stams wollte. Dort angekommen, meinte mein Trainer schnell: „Frau Gottwald, nehmen Sie Ihren Buben wieder mit. Er ist schulisch eine Pfeife und sportlich hat es keinen Sinn.“ Meine Ansage an meine Eltern war: „Vertraut ihr mir oder dem Trainer?“ Sie haben mir vertraut und ich wollte den Weg unbedingt gehen. Natürlich ist es nicht alltäglich, dass man aufhört, wieder anfängt und das nochmals gut geht. Für mich war es aber nicht unwesentlich für die Arbeit, die ich jetzt mache. Die Kunst dabei ist, die Begeisterung zu erhalten und von der Erfahrung zu profitieren.
Wie wichtig sind Ihnen heute noch Ihre Medaillen?
Gottwald Das war mir schon damals nicht so wichtig. Es war quasi die Folge des Erfolgs. Klar, es ist die äußere Bestätigung eines Weges, den du gegangen bist. Viel entscheidender als die Medaille ist der Weg dorthin. Der Weg ist das Ziel. Das ist abgedroschen, gleichzeitig ist das Ziel im Weg. Am öftesten dann, wenn du vor lauter Fokus auf das Ziel, den Schritt nicht mehr so machst, dass er Qualität hat. Was aber ist, wenn das Ziel erreicht ist? Dann ist es weg, dann geht es normal weiter. Dieses Wissen hilft ungemein. Am Ende des Tages liegt das Ziel immer in der Qualität des Weges. Jeder kann entscheiden, was er dafür tun will. Ich erlebe das in vielen Unternehmen: Jeder will der Beste sein, die wenigsten aber wollen einen Beitrag leisten.
Sie üben offen Kritik an Österreichs Sportsystem. Was missfällt Ihnen?
Gottwald Wir versuchen auf das eine Prozent hinzuleuchten, wo vermeintliche Weltmeister entstehen, viel spannender wären die 99 Prozent, die hoffentlich die Welt meistern. Werden diese gut bedient, kannst du die ein Prozent eh nicht verhindern. Wenn aber die Basis wegfällt, gibt es keine Spitze. Gerade im Talentescouting gibt es viele wissenschaftliche Studien und auch Länder, die es anders machen, etwa die Schweiz oder Island.
War es nie ein Thema, als Trainer zu arbeiten oder beim ÖSV?
Gottwald Ich bin ja als Trainer im Unternehmenskontext tätig. Ich bin ein Mensch, der Frischluft liebt. Nach 20 Jahren im Skiverband ist es einfach legitim, Frischluft zu genießen. Für mich ist der Abstand wichtig, auch wenn ich nichts ausschließen möchte.
Ein Thema im Sport ist Doping. Sie hatten immer eine Meinung dazu?
Gottwald Der Sport ist eine fraktale Gesellschaft und in einer Gesellschaft ist es normal, dass beschissen wird. Warum also sollte der Sport davon ausgenommen sein? Fakt ist auch, es geht im Sport und in der Gesellschaft nicht gut aus. Warum? Weil das eigene Spiegelbild unerträglich wird. Doping heißt zum einen, dass du auf deinen Weg, den du gehst, nicht vertraust, zum anderen vermiest du dir die Qualität deines Weges. Und für was das gut sein soll, habe ich bis heute noch nicht herausgefunden.