Auseinandersetzung ist wichtig

„Schockierend“ nennt Anita Wachter das Missbrauchsgeständnis von Nicola Werdenigg
Schwarzach Sie ist Vorarlbergs erfolgreichste Skirennläuferin und heute Mutter zweier Töchter, die ebenfalls in den Skirennsport drängen. Über die Medien verfolgt Anita Wachter mit wachsamem Auge die nunmehr aufgekeimte Sexismusdebatte in Österreichs Sport – im Speziellen im Skisport – aufgrund der von Ex-Rennläuferin Nicola Werdenigg öffentlich gemachten Missbrauchsvorwürfe in den 1970er-Jahren. Als „schockierend“ empfindet sie deren Geständnis, wobei sie betont, sehr viel Respekt vor Werdeniggs Gang an die Öffentlichkeit zu haben, auch wenn sie selbst niemals auch nur eine ähnliche Situation miterlebt habe.
Nach vier Jahren in der Sporthauptschule Schruns war Wachter 1983 in den Kader des österreichischen Skiverbandes (ÖSV) aufgenommen worden, ehe Vorarlbergs Olympiasiegerin 1988 in Calgary schließlich 2001, nach der Ski-WM in St. Anton, ihre aktive Karriere beendete.
Was haben Sie empfunden, als Sie aktuell von den sexuellen Übergriffen auf junge Skirennläuferinnen in den 70er-Jahren gelesen haben?
Wachter Für mich ist es schon schockierend und ich war erschüttert, als ich diese Vorwürfe gelesen habe. Als Außenstehende tue ich mir allerdings schwer, mehr dazu zu sagen. Es war ja auch zu einer anderen Zeit. Dass die öffentliche Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch im Sport wichig ist, steht aber außer Frage. Persönlich kann ich sagen, dass ich in meiner aktiven Zeit niemals, auch nicht annähernd, in einer solchen Situation war. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass es solche Vorfälle gab.
Wäre es aus Ihrer Sicht besser gewesen, den Machtmissbrauch sofort öffentlich zu machen?
Wachter Das will und kann ich jetzt nicht beurteilen. Wie schon gesagt, es war eine andere Zeit. Aber vielleicht hätte es damals schon eine Vertrauensperson gegeben.
Die #MeToo-Kampagne hat viele Frauen dazu ermuntert, über ihre Erfahrungen bezüglich sexueller Belästigung zu reden.
Wachter Für mich gibt es zwei Seiten. Zum einen empfinde ich es als gut und sehr wichtig, dass sich Frauen heute trauen, über ihre negativen Erlebnisse zu sprechen und öffentlich über sexuelle Belästigung und das, was ihnen Schreckliches widerfahren ist, zu sprechen. Das ist sehr positiv. Auch dass das Thema sehr ernst genommen wird. Andererseits sehe ich schon eine Gefahr, dass ein blöder Spruch vorschnell eine Debatte über sexuelle Belästigung auslösen kann. Eine Abgrenzung diesbezüglich ist schwierig und letztendlich muss das jeder für sich entscheiden. Wenn ich etwas nicht will, dann sage ich das auch. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass das Alter eine wichtige Rolle spielen kann. Eine 14-Jährige tut sich möglicherweise schwerer.
Ihre beiden Töchter sind ebenfalls im Skirennsport. Macht man sich als Mutter diesbezüglich Gedanken?
Wachter Ich habe kein Problem damit. Auch, weil unser Verhältnis sehr gut ist und ich mir sicher bin, dass sie sich melden würden.