Wenig Ruhe in Spaniens Bergen

Radprofi Matthias Brändle will nach Teamtrainingslager in der Sierra Nevada nun voll angreifen.
Sierra Nevada Eigentlich, so sagt Matthias Brändle, „eigentlich hatte ich eine gute Vorbereitung“. Doch dann lief es für Vorarlbergs Radprofi in den ersten Rennen nicht nach Wunsch. Irgendwie kam er in seinem neunten Profijahr nicht auf Touren – und begab sich auf Spurensuche. In Spaniens Bergen, in der Sierra Nevada, holt er sich nun bis Samstag noch die Kraft für Geist und Körper, um dann beim ersten Höhepunkt des Jahres, der Tour de Romandie einen Stockerlplatz und sogar einen Zeitfahrsieg anzupeilen. Die sechstägige Rundfahrt in der Westschweiz startet am Dienstag mit einem vier Kilometer langen Prolog in Fribourg.
Zu viele Ausdauerkilometer
Auf Mallorca, an der Algarve, in Dubai und bei Tirreno Adriatico, wofür er kurzfristig nachnominiert worden war, holte sich der 28-Jährige seine ersten Rennkilometer in diesem Jahr. Die Vorbereitung, so sagt der Hohenemser, sei ideal gewesen – auch in puncto Gesundheit. „Den Winter über war ich lange Zeit auf Gran Canaria.“ Mehr als 10.000 Kilometer hatte er schon bis Mitte Februar in den Beinen, um eine perfekte Grundlage für eine lange Saison zu haben. „Ich habe viel investiert“, sagt er heute rückblickend und schmunzelt, „vielleicht zu viel. Mein Körper war danach irgendwie eingeschlafen, mir fehlte die Spritzigkeit völlig.“ Für den Zeitfahrspezialisten war das Ausdauertraining Gift, weshalb er nach dem Klassiker Tirreno Adriatico kürzer trat. „Ich habe dann bewusst fünf Tage gar nichts gemacht.“ Seit dem zweiten April weilt er nun mit seinem Team Trek-Segafredo in Spanien, wo man das Trainingsquartier in den noch tief verschneiten Bergen der Sierra Nevada aufschlug.
„Die Bedingungen hier sind einfach super“, erzählt er im VN-Gespräch. Nach den ersten Tagen der Höhenanpassung wurde der Schwerpunkt auf Zeitfahr-Intervalle gelegt. Drei bis vier Stunden am ersten Tag, am zweiten vier bis sechs Stunden und danach wieder bewusst Ruhepausen. Die Einheiten rund um Granada haben Brändle sichtlich gut getan. Das Selbstvertrauen ist zurück und die Motivation für eine besondere Saison gegeben.
Vertrag läuft mit Saisonende aus
Keine Frage, der Vorarlberger steht auch unter Druck, läuft doch sein Vertrag mit Ende des Jahres aus. Deshalb will er sich bei seinen Höhepunkten empfehlen und deshalb hat er auch wieder einen Manager engagiert. „So kann ich mich auf das Rennfahren konzentrieren.“ Der ehemalige italienische Radrennfahrer Manuel Quinziato aus Südtirol, bis Ende 2017 beim amerikanischen BMC Racing Team unter Vertrag, wird sich um die sportliche Zukunft von Brändle kümmern.
Das Zeitfahren bei der Tour de Romandie wird nun der erste große Härtetest im Hinblick auf den am 4. Mai in Israel startenden Giro d‘Italia. Denn im Kampf gegen die Uhr will der Radprofi beim Kurs in Jerusalem ganz vorne dabei sein. Rund zehn Millionen Euro fließen in die Kasse der Italien-Radrundfahrt für die drei Etappen in Israel, ehe es dann gut 2000 km von Eilat über das Mittelmeer weiter nach Sizilien (Catania) geht. Doch Brändle will sich beim Giro nicht nur auf den Auftakt und das zweite, 35 Kilometer lange Einzelzeitfahren konzentrieren. „Ich möchte aktiv sein. Wir werden beim Giro keinen echten Teamleader haben. Deshalb ist es schon mein Ziel, auch um einen Etappensieg mitzufahren.“
In der Ruhe liegt die Kraft
Tour de Romandie, Giro, möglicherweise die Vuelta, ein paar Klassiker und dann die WM in Tirol – das sind die Höhepunkte im Rennkalender 2018 von Brändle. Die Tour de France fehlt bewusst, weil das erste Zeitfahren erst in der zweiten Rennwoche geplant ist. Was die Weltmeisterschaft in Österreich und die Ausscheidung betrifft, ist er ziemlich relaxt. Auch weil sich das WM-Einzelzeitfahren über rund 50 Kilometer ziehen wird. Bei den österreichischen Meisterschaften im Juni will er jedenfalls eine „Empfehlung“ für die Nominierung abgeben.
Und wie beurteilt er rückblickend sein Start in Dubai? „Die Straßen sind sehr gut, auch für den Radsport sind die Rennen extrem wichtig. Für uns Rennfahrer sind die Etappen allerdings langweilig: Du fährst 50 Kilometer quer durch die Wüste, dann folgt eine Kurve und schon geht es dann wieder kerzengerade weiter.“
Den Humor jedenfalls hat Brändle, das ist im Gespräch spürbar, in den südspanischen Bergen nicht verloren. Vielmehr strahlt er jenes notwendige Selbstvertrauen aus, das in den bevorstehenden Rennen gefragt ist. Die Saison kann nun für den ehemaligen Stundenweltrekordler so richtig beginnen. Vorarlbergs Pedalritter ist bereit für neue Ausrufezeichen.
„Mein Körper hat sich irgendwie angefühlt, als ob er eingeschlafen wäre.“