„Beim Essen über Doping gewitzelt“

Sport / 29.04.2019 • 21:21 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Ex-Langläufer Johannes Dürr (l.) mit Anwalt Max Rammerstorfer vor Prozessbeginn in Innsbruck. apa
Ex-Langläufer Johannes Dürr (l.) mit Anwalt Max Rammerstorfer vor Prozessbeginn in Innsbruck. apa

Skiverband klagt Ex-Langläufer Johannes Dürr. Es geht um Kreditschädigung.

Innsbrtuck „Das Thema Doping war allgegenwärtig, bei jedem Mittagessen wurde darüber gewitzelt“, berichtete Ex-Langläufer Johannes Dürr über Tischgespräche bei Trainingskursen. Ein vermeintlich humoristischer Ausflug bei der gestrigen Verhandlung, mit dem sich der mittlerweile 32-Jährige und seine Kollegen einst die Leistungssprünge der Konkurrenz – im besagten Fall der Russen – erklärten.

Die Leistungssprünge Dürrs erklärten sich durch zwei Dopingvergehen (2014, 2018). In der Aufarbeitung warf der Niederösterreicher zuletzt auch dem Österreichischen Skiverband allerhand vor. Der mittlerweile fristlos entlassene Zollbeamte bezichtigte den ÖSV der „stillschweigenden“ Duldung verbotener Praktiken. Das passierte im Rahmen von TV-Dokus und nicht zuletzt am 5. Juli 2018 bei einer „FuckUp Night“ in Wattens, einer Veranstaltung zum Thema Scheitern. Dort behauptete Dürr: Der ÖSV würde vor Doping die Augen verschließen, so lange sich nur niemand „erwischen lasse“.

Vorgespräche ohne Erfolg

Kabaretthafte Züge der Verhandlung im Saal 214 des Innsbrucker Landesgerichts hielten sich jedenfalls in Grenzen. Nach gescheiterten Vorgesprächen folgte zuletzt eine Klage des ÖSV gegen Dürr. Dieser habe bei einem Klagsinteresse von 3000 Euro solche Behauptungen zu widerrufen und zu unterlassen. Der ÖSV begründet das mit Ehrenrührigkeit und Kreditschädigung aufgrund unwahrer Aussagen. Richter Werner Auer hatte zuvor vergeblich einen Vergleich versucht, keine Seite schien sonderlich daran interessiert zu sein. „Sie drohen uns ohnehin nur mit der Wahrheitsbeweiskeule!“, hieß es seitens des Skiverbands.

Dürrs Anwalt Max Rammerstorfer erwiderte, dass es sich einst ja „nur um eine Meinungsäußerung“ gehandelt hätte und man in dieser Sache nicht mehr zu Medien sprechen werde – wenn man auch vor Behörden die Wahrheit sagen müsse. Zudem verkündete der Rechtsbeistand, dass Dürr entgegen Gerüchten kein Comeback mehr plane, zumal er mit dem Leistungssport abgeschlossen habe: „Er wird die Konsequenzen tragen und widmet sich schon voll seiner Ausbildung.“

Neben etlichen deutschen Medienvertretern verfolgte auch ARD-Doping-Jäger Hajo Seppelt, der nicht zuletzt in der Dopingaffäre Seefeld allerhand an die Öffentlichkeit getragen hatte, das Verfahren. Sein Credo: „Es ist hoch an der Zeit, dass Gerichte klären, welche Verantwortung Verbände beim Doping haben. Es geht einfach nicht mehr um einzelne Sportler, es geht um einzelne Systeme. Das Verfahren hier in Innsbruck kann deshalb Signalwirkung haben!“

Verfehlungen des ÖSV aufzeigen

Die Strategie von Dürrs Rechtsvertretung: Verfehlungen des ÖSV aufzeigen. Es ging um die Dopingskandale 2002, 2006 und 2014, in die der Verband verwickelt gewesen sei. „Die Personen waren damals unwesentlich andere als bei mir“, hielt Dürr fest. So sei der gesperrte Ex-Trainer Walter Mayer in der Szene als „Trainer-Papst“ hochgehalten worden, so habe auch Dürrs-Ex-Trainer Gerald Heigl einen zweifelhaften Ruf. „Was wir bestätigen können, ist, dass unser Mandant in den polizeilichen Einvernahmen ausgesagt hat, dass er in den Saisonen unmittelbar vor Sotschi 2014 Dopingpräparate von Herrn Heigl erhalten hat, wobei es sich insbesondere um Epo-Präparate gehandelt hat“, sagte Rammerstorfer zuletzt im ARD.

Auch ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner sagte als Zeuge aus. Der Tiroler verweist auf Dopingprävention wie E-Learning-Programme, Verpflichtungserklärungen und vom Verband finanzierte Zusatzkontrollen. Den Vorwurf, dass immer wieder ÖSV-Sportler in Olympia-Skandale verwickelt gewesen sein, konterte Leistner: „Bei Winterspielen liegt die Obsorge nicht beim Skiverband.“ Und alles könne man sich ohnehin nicht aufbürden lassen: „Gegen organisierte Kriminalität und Vorsatztäter ist man machtlos.“