Skisport trauert um Egon Zimmermann

1964-Abfahrts-Olympiasieger im 81. Lebensjahr zu Hause in Lech verstorben.
Lech Der Abfahrtssieg am Patscherkofel bei Olympia 1964 war sein bedeutendster Erfolg: „Ich wollte fliegen, es ging ganz tief in meinen Körper rein, und das bleibt einem, ich werde das nie vergessen“, erzählte Egon Zimmermann anlässlich seines 75. Geburtstags. Fünf Jahre später verstarb Zimmermann in der Nacht auf den 23. August in seiner Heimatgemeinde an Herzversagen.
Am 8. Februar 1939 in Lech geboren, war Zimmermann schon zwei Jahre vor den Innsbrucker Winterspielen in Chamonix Riesenslalom-Weltmeister geworden. „Weltmeister zu sein, ist schön. Aber Olympiasieger zu sein, ist noch einmal eine Schaufel drauf“, betonte Österreichs zweiter Abfahrts-Olympiasieger nach Toni Sailer (1956) beim Besuch der Ski-WM in Aare, wo er die Herren-Abfahrt vor Ort live mitverfolgen will.
Gold und Bronze in Chamonix
Schon als Kind, wenn auch erst mit sechs Jahren, was für einen Lecher relativ spät war, machte Zimmermann seine ersten Gehversuche auf Skiern. Als man sein großes Talent erkannte, bekam der Spross beim SC Arlberg die entsprechende Förderung. Als Jugendlicher brachte er es auf eine Reihe von österreichischen Titeln. Parallel zu seinen sportlichen Aktivitäten absolvierte er im Tannberger Hof eine Kochlehre und war nach deren Abschluss auch in einem Pariser Nobelrestaurant tätig. Obwohl er 1959 vier ÖSV-Titel in der Juniorenklasse gewann, fehlte der Name Zimmermann 1960 im ÖOC-Aufgebot. Trotz der Erfolge dauerte die Aufnahme in den ÖSV-A-Kader noch einige Zeit, denn die „alte“ Garde um Anderl Molterer hielt dem Anstrum der Jungen, angeführt von Schranz, Nenning und Zimmermann, noch einige Zeit stand. Unmittelbar nach den Winterspielen in Squaw Valley besiegte der damals 20-jährige Zimmermann Olympiasieger Roger Staub und schien den Durchbruch geschafft zu haben. Als er im Winter 1960/61 aber keinen bedeutenden Sieg erringen konnte, meldeten sich die ersten Zweifler. Doch die ließ der Lecher im folgenden Winter verstummen. Bei der für Österreich triumphal verlaufenden WM 1962 in Chamonix war der damals 23-Jährige vorerst als Ersatzmann nominiert, kam dann aber doch zum Einsatz und rechtfertigte das Vertrauen seiner Trainer. Zimmermann führte die rot-weiß-rote Phalanx beim Triple-Erfolg im Riesentorlauf vor Karl Schranz und Martin Burger an und gewann zudem Bronze in der Abfahrt, seiner eigentlichen Spezialdisziplin. Dass er nun endgültig zur Weltelite gehörte, bestätigte der Lecher in Sestrière: Er gewann im Slalom und wurde in der Abfahrt und Kombination jeweils Zweiter hinter Schranz.
In der Saison 1962/63 knüpfte Zimmermann nahtlos an seine Vorjahrsleistungen an. Er gewann Abfahrt und Kombination in Kitzbühel und wiederholte dieses Kunststück wenig später in Mégève. Der vierte Platz in der Abfahrt der vorolympischen Rennen in Innsbruck zeigte, dass mit dem Führenden der FIS-Rangliste im folgenden Winter zu rechnen sein würde.
sTECKBRIEF
Egon Zimmermann
GEBOREN 8. Februar 1939
GESTORBEN 23. August 2019
BERUF Koch und Hotelier
GRÖSSTE ERFOLGE Olympiasieger 1964 Abfahrt; Weltmeister 1962 Riesentorlauf und 1964 Abfahrt, WM-Dritter 1962 Abfahrt
Triumph am Patscherkofel
Im Olympiawinter 1963/64 kam Zimmermann dann wegen eines leichten Trainingsrückstands nur langsam in Schwung, erreichte aber mit zwei Siegen im Riesentorlauf in Wengen gerade zum richtigen Zeitpunkt seine Bestform. Der von Medien und Fans im Vorfeld schon zum neuen Toni Sailer hochgejubelte Lecher stand dann in Innsbruck von Beginn an im Blickpunkt des öffentlichen Interesses und damit auch unter einem enormen Erfolgsdruck. Die Abfahrt am 30. Jänner war bei den Alpinen der erste Bewerb und Zimmermann erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen. Der Lecher ließ auf der 3120 m langen Piste vom Patscherkofel alle Favoriten hinter sich und setzte sich mit 0,74 Sekunden Vorsprung vor dem Franzosen Leo Lacroix und dem Deutschen Wolfgang Bartels (+1,32) durch. Zimmermann holte seinen Vorsprung im oberen Streckenteil heraus, als er bereits 0,8 Sek. vor Lacroix lag, verlor diesen aber im untersten, als Velodrom bezeichneten Abschnitt fast ganz. Er hatte sich ein völlig neues Skimodell angeschnallt, einen Metallski mit fünf Rillen statt der bis dahin üblichen einen Längsrille. Im Riesentorlauf schied Zimmermann als Favorit im ersten Durchgang aus.
Karriereknick nach Autounfall
Im Herbst 1964 verunglückte Zimmermann schwer mit seinem Sportwagen, zweifelte trotz größter Bedenken der Ärzte aber nie an seinem Comeback. Nach seiner Zwangspause kehrte der Lecher 1965/66 zwar in den Skizirkus zurück, konnte aber nie mehr an seine Glanzzeiten anschließen. Dennoch schaffte er in der Abfahrt den Sprung ins Aufgebot für die Sommer-WM 1966 in Portillo. Rang zwölf in der Abfahrt war zwar weniger, als er selbst erwartet hatte, fiel aber angesichts der generellen Schlappe des ÖSV-Teams in Chile nicht sonderlich negativ auf.
Nach einer enttäuschend verlaufenden Weltcupsaison 1966/67, in der Zimmermann nur wenige Weltcuppunkte eroberte, nahm der Lecher im Olympiawinter den letzten Anlauf. Für Grenoble 1968 qualifizierte er sich wieder nur in der Abfahrt, und weil er letztendlich nur einen nicht zufriedenstellenden 13. Platz erreichte, trat Zimmermann am Ende der Saison zurück.
Ein großes Vorbild
Nach dem Karriere-Ende baute der als Koch ausgebildete Zimmermann in Lech das Viersternehotel Kristberg auf. Der Lecher, der 1981 die schwedische Prinzessin Charlotta von Klingspor, eine Cousine von König Carl Gustaf, heiratete, blieb dem Skisport weiterhin eng verbunden. Der bei ihm vor über 30 Jahren festgestellten Krankheit Multiple Sklerose begegnete Zimmermann mit großem Erfolg mit der chinesischen Atemlehre Qi Gong und den täglichen Spaziergängen in seiner Heimatgemeinde mit seinem Hund. Dank seiner eisernen Disziplin hatte er die Krankheit im Griff und konnte ohne Medikamente leben.
Das unerwartete Ableben löste tiefe Trauer in der Heimatgemeinde aus. Sowohl Bürgermeister Ludwig Muxel als auch 1992-Olympiasieger Patrick Ortlieb sprachen vom Verlust eines großen Sportlers und herausragenden Menschen, der für jeden in der Gemeinde ein Vorbild war.
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