Superstar eines Winters ohne Medaillen

Sport / 16.10.2019 • 20:07 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Name ist Programm: US-Skirennläuferin Mikaela Shiffrin ist vor dem Weltcupstart in aller Munde, die 24-Jährige selbst sieht sich aber nicht als Alleinunterhalterin.gepa
Der Name ist Programm: US-Skirennläuferin Mikaela Shiffrin ist vor dem Weltcupstart in aller Munde, die 24-Jährige selbst sieht sich aber nicht als Alleinunterhalterin.gepa

Nach den Rücktritten von Marcel Hirscher, Lindsey Vonn und Co. überstrahlt Mikaela Shiffrin alle.

Sölden Die junge US-Amerikanerin hat eine Rekordsaison mit 17 Weltcupsiegen, vier Weltcupkugeln und zwei WM-Goldenen hinter sich und ist heiß auf weitere Erfolge. Zu gewinnen gibt es in einer Saison ohne Medaillen-Events genug, nämlich gleich sieben Weltcup-Kugeln. Und damit so viele wie noch nie. Trotzdem wird Shiffrin nicht übermütig und steht Behauptungen, sie könnte Kristall in gleich allen Disziplinen gewinnen, distanziert gegenüber. „Das ist schon etwas viel, fast schon zu viel. Ich muss realistisch bleiben.“

Marcel Hirscher stets ein Vorbild

Überhaupt sei die kommende Saison „komisch“, meinte die 24-Jährige eine Woche vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden mit Verweis auf den dort fehlenden Seriensieger Hirscher. „Seit ich dabei bin, hat er jedes Mal den Gesamtweltcup gewonnen. Dass er jetzt nicht mehr da ist, ist seltsam und ändert für mich viel. Eigentlich fast alles. Ich habe immer zu Marcel aufgeschaut. Er hat mich inspiriert und motiviert für meine ganze Karriere“, so Shiffrin über den Salzburger. „So oft habe ich ihm zugeschaut und gedacht, das mache ich jetzt auch und fahre Ski wie Marcel Hirscher. Manchmal hat das dann auch den Sieg gebracht.“

Ab sofort gehört die Rolle des Branchensuperstars aber exklusiv Shiffrin. Mit der Favoritinnenrolle kann die Doppel-Olympiasiegerin und fünffache Weltmeisterin aus Vail zwar schon länger umgehen, nun trägt sie das Leuchtfeuer des Alpinski-Rennsports bis auf Weiteres aber ganz alleine. „Wir haben doch viele andere coole Persönlichkeiten“, verweist sie fast schon trotzig auf Sofia Goggia, Wendy Holdener, Petra Vlhova oder Federica Brignone. „Alles richtig coole Läuferinnen.“ Und die Schuhe von Hirscher und Vonn, so Shiffrin, „sind so groß, dass sie sowieso keiner füllen kann“.

Kontrastprogramm im Sommer

Shiffrin ist mit 16 erstmals auf das Weltcup-Podest gefahren, hat mit 17 erstmals gewonnen. Danach hat sie sukzessive Vonn als US-Star im Damenskirennsport abgelöst. Aus ihrem bisher erfolgreichsten Winter ist sie zwar müde herausgegangen, trotzdem wurde im Sommer nicht nur beim Skitraining Gas gegeben. Shiffrin fand Zeit, in Colorado ihr Haus fertigzubauen und einzurichten, zahlreiche Musik-Videos („Ich singe immer und überall“) von sich selbst zu posten oder mit der US-Airforce 9G zu fliegen. Wegzustecken war auch noch die Trennung von ihrem Freund, dem französischen Skirennläufer Mathieu Faivre. „Aber ich bin okay“, erklärt Shiffrin.

Hirscher (67) und Vonn (82) sind am Weltcup-Siegrekord von Ingemar Stenmark (86) gescheitert. Shiffrin hält trotz ihrer erst 24 Jahre bei drei Gesamt- und 60 Weltcupsiegen. Die Bestmarken von Annemarie Moser-Pröll (62) und Hirscher könnten diesen Winter fallen, jener von Stenmark danach. Bis auf einen Teambewerb hat Shiffrin als einzige Läuferin in allen sechs Weltcup-Einzeldisziplinen schon gewonnen, punkto Kristallkugeln fehlt ihr nur die in der Abfahrt. Da kommt ein Winter ohne WM oder Olympia gerade recht. Denn dieser ändere die Dynamik völlig. „Alle vier Jahre haben wir eine lustige Saison ohne Medaillenkämpfe. Das ist dann immer eine gute Gelegenheit, im Februar etwas auszuprobieren“, ist Shiffrin bewusst, dass die kommende Saison eine Riesenchance auf die Abfahrtskugel bietet. Auch wenn sie bisher nur eine Abfahrt (Lake Louise 2017) gewonnen hat. Im Weltcup-Kalender stehen im Februar 2020 jeweils nur einem Slalom und Riesentorlauf gleich je drei Abfahrten und Super-G gegenüber. „Statt einer WM kann ich also schauen, was ich im Speed drauf habe“, so Shiffrins Plan.

Möglich ist vieles

Ob auch Hirschers acht Gesamtsiege für sie erreichbar oder gar zu toppen sind? „Das werde ich oft gefragt. Möglich ist es“, sinnierte die vom einstigen Slalom-Wunderkind zur „Allrounderin“ mutierte Amerikanerin. „Aber wer weiß, wie lange ich wirklich fahre. Ich habe ja schon sehr früh begonnen“, gibt sie zu bedenken. „Wie viele Jahre kann man alle Disziplinen fahren? Kehre ich dann wieder zurück zu Riesentorlauf und Slalom? Ich weiß, dass ich auf Dauer nicht alles machen kann.“

So lange die Motivation wie im Moment sei, gehe es bestimmt weiter. „Ich bin jung und stark und habe die Kapazität, mich weiter zu verbessern.“ Verbessern und Gewinnen seien aber unterschiedliche Dinge. „Besser zu werden heißt nicht zwangsläufig, dass auch die Ergebnisse besser werden.“

„Besser zu werden heißt nicht zwangsläufig, dass auch die Ergebnisse besser werden.“

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