Karate, Konkurrenten und Karriere

Karateka Hanna Devigili über Sport, Freunde und die Zukunft.
Fraxern Nach EM-Gold im Vorjahr in der Unter-16-Klasse holte Hanna Devigili vor wenigen Tagen EM-Bronze in der Juniorenkategorie. Im Interview gibt die 16-jährige Fraxnerin einen Einblick in ihren Alltag als Schülerin, Leistungssportlerin und Teenager.
Du bist Schülerin am Sportgymnasium Dornbirn. Wie lässt sich der Sport mit dem Schulischen vereinbaren?
Devigili Bezüglich der Wettkämpfe und dem Training kommt mir die Schule sehr entgegen. Aber das Lernen ist schon etwas stressig. Klar kann man am Wochenende während der Autofahrten lernen – das ist aber alles andere als ideal. Andererseits lerne ich dadurch auch, in jungen Jahren bereits ein gutes Zeitmanagement zu entwickeln und Prioritäten zu setzen.
Durch den Sport bist du oft auf Reisen. Kriegst du dabei mehr als nur die Wettkampfstätten zu Gesicht?
Devigili Ich höre oft, wie lässig es sein muss, so viel zu reisen. Meistens sieht man aber nicht mehr als das Hotel und die Wettkampfhalle. Wir waren fünf Tage in Cancún – am Meer war ich vier Stunden. Oder im Herbst in Santiago de Chile: Da herrschte gerade Ausnahmezustand, große Teile der Stadt waren blockiert. Doch man ist ja nicht als Urlauber, sondern als Sportler vor Ort und deshalb ist das ganz normal.
Hast du als Sportlerin die Unruhen in Chile mitbekommen?
Devigili Ja, auf jeden Fall. Unser Hotel hatte zwar die wohl beste Lage der ganzen Stadt, aber von einer Freundin aus Luxemburg habe ich auch anderes erfahren. Dort wurde ins Hotel eingebrochen und das Gepäck geklaut. Am deutlichsten war es bei uns, als bei einem Laden etwas kaufen wollten: Die Wartezeit betrug über drei Stunden und ein Wasser kostete 27 Euro. Da bin ich mir schon vorgekommen wie in einem Film.
Welche Auswirkungen hatte es auf deinen Wettkampf?
Devigili Wir durften die Halle nur an unserem Wettkampftag betreten. Davor und danach durfte man die Halle nicht betreten. Dadurch waren natürlich auch keine Teamkollegen da, um dich anzufeuern – was sehr ungewohnt war. Viele konnten das ausblenden, mir fiel das schwerer.
Also war das schon ein Faktor für dein Ausscheiden in Runde zwei?
Devigili Ja, aber auch die Gewichtsnorm war ein Problem. Normalerweise habe ich zwei Tage vor dem Wettkampf mein Kampfgewicht. Damals hatte ich am Morgen vor der Abwaage noch ein halbes Kilo zu viel. Das macht der Körper dann auch nicht so locker mit. Wir scherzen immer, dass das Erreichen des Wettkampfgewichts der erste Kampf ist, der gewonnen wird. Bei der EM ging es viel besser, was auch der Medaillengewinn bestätigt.
Obwohl die Vorbereitung mit einer Gehirnerschütterung und der sechswöchigen Trainingspause alles andere als optimal war. Hast du öfter mit Verletzungen zu kämpfen?
Devigili Natürlich gibt es keine Garantie, verletzungsfrei zu bleiben. Aber bei uns sind Vollkontakttritte oder Schläge zum Kopf eigentlich nicht erlaubt. Die Gehirnerschütterung passierte bei einem Aufwärmspiel im Training, das war einfach unglücklich. Ich hatte in den letzten zwei Jahren zwei Bänderrisse, aber zum Glück nie etwas Gröberes.
Trainings, Wettkämpfe und Schule. Stört es dich, dass da Freunde und Hobbys manchmal auf der Strecke bleiben?
Devigili Eigentlich schon, wobei das momentan eher nicht der Fall ist. Die nächsten zwei Monate steht bis auf das Training eigentlich nichts an. Ich weiß gar nicht was ich die viele Zeit ohne Karate anfangen soll (lacht). So lange man Erfolg hat, nimmt man die Entbehrungen gerne in Kauf. Bei einer Durststrecke – die jeder einmal hat – schaut das anders aus. Ich habe aber das Glück, dass ich im Karatesport viele Freunde habe. Außerhalb des Sports gibt es schon solche, die die Freundschaft quasi hingeschmissen haben, weil ich keine Zeit für sie hatte. Dafür weiß man, wer die wahren Freunde sind und wirklich hinter einem stehen.
Spielt es eine Rolle, dass Freundinnen gleichzeitig auch Gegnerinnen sind?
Devigili Zum Glück sind sie aufgrund der verschiedenen Gewichtsklassen in der Mehrzahl nicht meine direkten Konkurrentinnen. Besonders mit internationalen Bekannten ist es so, dass man sich außerhalb der Kampffläche gut versteht. Während eines Kampfes ruht die Freundschaft und jeder versucht, den maximalen Erfolg zu verbuchen.
Viele Leistungssportler erzählen, Dinge in ihrer Jugend vermisst zu haben. Ist das bei dir der Fall?
Devigili Ein bisschen. In der Zwangspause wegen der Gehirnerschütterung verspürte ich anfangs etwas Orientierungslosigkeit und war das erste Mal wirklich in einer Disco. Da habe ich mir schon gedacht, dass das andere jedes Wochenende machen und es für mich etwas Außergewöhliches ist. Ich habe auch einmal bei einer Freundin übernacht. Als junge Leistungssportlerin genieße ich solche Dingen und schätze sie vielleicht viel mehr als andere.
Eine wichtige Person in deinem Leben ist dein Papa Daniel, der als Aktiver Weltmeister war und dein Trainer ist. Wie froh bist du, dass er dabei ist?
Devigili Sehr froh. Klar gibt es hin und wieder Differenzen, aber die Bindung, die wir beide haben, ist schon etwas ganz Besonderes. Es war am Anfang zwar nicht immer leicht, wenn der Vater auch dein Trainer ist. Aber man wächst in den Jahren zusammen und erkennt erst, wie wertvoll diese Kombination ist. Ich bin generell ein Mensch, dem die Familie am Herzen liegt. Deshalb war es auch etwas ganz Besonderes, als meine Mama Karin und mein Bruder Elias beim Gewinn der EM-Bronzenen in Budapest dabei waren.
Auch in diesem Jahr startest du wieder in der Youth League. Hast du dir ein Ziel gesetzt?
Devigili In der Kadettenklasse habe ich je einen ersten und einen zweiten Rang erreicht – deshalb glaube ich schon, dass ich das auch in der Juniorenklasse erreichen kann. In der Youth League stehen heuer vier Wettkämpfe an, der erste findet Anfang Mai in Limassol statt.
Du hast noch zwei Jahre bis zur Matura. Gibt es schon einen Plan für danach?
Devigili Seit ich klein bin, sage ich, dass ich Profisportlerin und Weltmeisterin werden möchte. Daran hat sich nichts geändert, aber ich möchte nicht mein Leben lang Karate machen. Ich möchte unbedingt einmal Krankenschwester werden – diesen Wunsch habe ich seit ein paar Jahren. Mir macht es Freude, anderen zu helfen und ich glaube, dafür eine Begabung zu haben.