Deshalb plant der Ex-DTM-Champion ein Mofarennen

Sport / 16.09.2020 • 22:00 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Deshalb plant der Ex-DTM-Champion ein Mofarennen
Timo Scheider (r.) arbeitet als TV-Experte, im Bild mit Andrea Kaiser und Nico Rosberg.@ITR

Timo Scheider (41) im VN-Interview über Gegenwart und Zukunft der DTM, seine Landsleute und Schwiegervater Hansi Hinterseer.

Nürburg Wie für einige andere Rennfahrerkollegen ist auch für Timo Scheider Vorarlberg die neue Heimat geworden. Seit 2007 lebt der DTM-Meister von 2008 und 2009 (mit Audi) und Gewinner der 24-Stunden-Klassiker auf dem Nürburgring (2003 beim einzigen Erfolg von Opel bisher) und in Spa-Francorchamps (2005 auf Maserati) in Lochau. „Die Landschaft, die Menschen, die Lebensqualität – da passt einfach alles“, sagt der aus Lahnstein in Rheinland-Pfalz Stammende. Auch seine Tuning-Firma auf der deutschen Seite des Bodensees ist nicht weit entfernt. Doch der Wohnort des aktuell als SAT1-Experte im Tourenwagen Masters arbeitenden Ex-Champions ist nicht die einzige Beziehung zu Österreich: So ist der karitativ vielbeschäftigte Scheider auch schon seit Längerem Botschafter für „Wings for Life“ und seit 2010 ist er der Lebensgefährte von Jessica Hinterseer, der Tochter von Hans Hinterseer.

Und wie ist Hans Hinterseer so als Schwiegervater?

Das erste Kennenlernen hatte viele Fragezeichen, ich war doch etwas aufgeregt, fast schüchtern. Aber dann empfing mich so ein toller Typ, ultralustig, völlig entspannt, ich hatte selten solch einen Menschen getroffen. Wir hatten sofort viel Spaß zusammen. Er ist ein „Kindskopf“ im besten Sinn geblieben, einfach weiter jung, geistig und körperlich, wie er mit seinen Bergtouren immer beweist. Hans ist einfach ein geiler Typ.

Da stellt sich gleich einmal die Frage, wie Sie Jessica kennengelernt haben?
Das war beim Hahnenkammrennen 2010. Ich war für Audi dort als Instruktor in der Driving Experience, Jessica und ihre Mutter kamen vorbei. Wir freundeten uns an. Ein halbes Jahr später hatten wir unser erstes Date.

Kommen wir zum Motorsport und zur DTM. Wie beurteilen Sie den Status Quo und die Zukunft? Hat die DTM nach dem bevorstehenden Ausstieg von Audi überhaupt eine Zukunft, dank aller Bemühungen von Serienchef Gerhard Berger?

Meine Emotionen sind, da ich von Beginn der neuen DTM 2000 an dabei war, durch die aktuellen Geschehnisse schon negativ beeinflusst worden. Ich gehe mit offenen Augen und Ohren durchs Fahrerlager, und ich sehe eine Entwicklung, die für mich in die falsche Richtung geht. Es ist sehr oft passiert, dass etwas gemacht wurde ohne Rücksicht auf die Fahrer. Zum Beispiel die Überholhilfen, durch die es vielleicht etwas interessanter für Zuschauer wird, aber dabei wird der vorn Fahrende immer bestraft. Ich war über Jahre Fahrersprecher bei Audi und nahm an vielen Besprechungen teil, doch enttäuschend war, dass alle Folgen dieser Meetings nichts mit dem zu tun hatten, was vorher diskutiert und angeregt wurde. Die Hersteller hatten zu viele Probleme miteinander. Die Technik- und Marketingabteilungen sahen nur ihr eigenes Ding, aber nicht das große Ganze.

Wird die DTM weiterbestehen?

Ich hoffe, dass ein gemeinsamer Weg gefunden wird. Der wird wohl in Richtung GT-Autos gehen. Für die bestehenden Autos mit Privatteams sehe ich keine Möglichkeit, die kann sich ohne Werkunterstützung niemand leisten. Etwas mehr Leistung bei GT-Autos wäre eine Lösung. Ich weiß nicht, ob die Schnelligkeit allein wichtig ist, die Fans wollen doch primär spannende Rennen, gute Namen, geile Autos. Noch einfacher oder billiger wären Rennen mit TCR-Autos (Serientourenwagen, Anm.), die mit etwas mehr Aerodynamik und Leistung schon sehr flott wären. Und die würden mit 150.000 bis 200.000 Euro um die Hälfte billiger sein als GT-Autos, wenn nicht sogar mehr. Klar sind 500, 600 PS attraktiv, aber zuerst muss man sich doch fragen: Wie ist guter Motorsport überhaupt noch möglich?

Haben Sie die bisher dominante Rolle des Berners Nico Müller in dieser Saison erwartet? Er nimmt jetzt die Rolle des Wahl-Bregenzers René Rast der vergangenen drei Jahre ein.

Jeder Rennfahrer erlebt Phasen, in denen es gut und weniger gut läuft. René ist zuletzt alles gelungen. Jetzt reißt er sich ein Bein aus, und es klappt trotzdem nicht ganz. Der Nico kann sich momentan wohl verkehrt hinters Steuer setzen und gewinnt immer noch. Es klappt einfach alles bei ihm, auch wenn er Sonntag von der Technik eingebremst wurde. Ich gönne ihm den Erfolg sehr, jetzt ist sein Knopf aufgegangen, was man bei Audi schon vor einigen Jahren von ihm erwartet hatte.

Rast hat also heuer keine Chance auf die Titelverteidigung?

Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, wenn Nico nicht zwei Mal ausfällt, dann kaum. Nico braucht ja nur noch regelmäßig in die Spitze fahren.

Merkwürdig ist, dass es für Müller in der Formel E überhaupt nicht lief, in der DTM ist er aber großer Dominator . . .

Das Fahrerfeld sowohl in der DTM als auch in der Formel E ist auf so einem hohen Niveau, dass der Unterschied vielleicht zwei bis drei Zehntel pro Runde beträgt, der Rest in einer Differenz ist das Auto. Auch in der Formel 1 hat Sebastian Vettel das Fahren nicht verlernt, aber sein Gerät ist eine Katastrophe. Deshalb wundern mich auch die großen Zeitabstände in der DTM sehr.

In der DTM fällt derzeit nur ein Fahrer ab: Robert Kubica, der in der Formel 1 vor seinem Rallyeunfall mit schweren Verletzungen sogar als potenzieller WM-Kandidat galt. Wie erklären Sie sich das?

Wir stellten ihm schon die Frage, ob ihn seine blessierte Hand so sehr beeinträchtige, und er insistierte, dass das nicht der Fall sei. Die Handverletzung lässt er als Erklärung nicht gelten. Er kommt nicht zurecht.

Wie schätzen Sie Ihre „Landsleute“ Lucas Auer, Philipp Eng und Ferdinand Habsburg ein?

Ich bin ein Riesenfan unserer (Anm. d. Red.: Scheider sagte wirklich „unserer“.) Österreicher. Speziell Philipp und Lucas. Das sind tolle Jungs, unkompliziert, sympathisch, bodenständig. In der Form unterliegen sie natürlich Schwankungen, aber sie können damit umgehen. Es ist immer schön, mit ihnen einfach abzuschalten und zu quatschen. Ferdinand (Habsburg) kenne ich nicht besser, er wirkt etwas unnahbar. Aber mit Philipp plane ich ein gemeinsames Projekt . . .

Das wäre?

Ich baute mir kürzlich ein Mofa für den Stadtverkehr auf und erzählte Philipp von einem Mofarennen, das es bei uns gibt. Wenn Corona vorbei ist, wollen wir so etwas gemeinsam veranstalten

Hat Ihnen die Aktion 2015 in Spielberg mit der „Schieb-ihn-raus“-Anweisung in Ihrer Karriere geschadet?

Ja, das war ein massiver Einschnitt in meiner Laufbahn, in der ich immer als fairer, tadelloser Sportsmann galt. Ich fuhr immer gern hart, aber nie unfair. Die mich nicht näher kannten, bekamen einen völlig falschen Eindruck. Dass ich als Angestellter allen Anweisungen vertragsbedingt zu folgen hatte, interessierte nachher keinen mehr. Aber es gibt da nichts zum Schönreden, es war eine Sch …-Aktion. GK

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