Fahrerproteste

Teil 9: Mein Giro d’Italia 2020
Endlich, sage ich. Es musste einmal ein Zeichen gesetzt werden. Wir Fahrer haben am Freitag unsere Stimme gegen den Veranstalter RSC erhoben. Zu lange haben wir, aus meiner Sicht, zugeschaut. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass auf die Fahrer keine Rücksicht genommen wurde. Nein, noch schlimmer: Sie dachten wohl, sie können alles mit uns machen. Wir Fahrer, als die kleinen Spielfiguren, sollten beim Giro täglich für die große Show auf der Straße sorgen.
So aber verlief der Start zur 19. Etappe nicht wie geplant. Keine 258 Kilometer bei strömendem Regen, sondern ein neuer Startort und eine Etappenlänge von 124 Kilometern. All das passierte allerdings erst nach einer längeren Diskussion mit den Verantwortlichen.
Ein bisschen Regen und die 260 Kilometer wären an und für sich nicht das große Problem. Ein Blick zurück auf die letzten Tage verdeutlicht allerdings den immer größer werdenden Unmut im Fahrerfeld. Etappen von oft über sechs Stunden sind nur ein Teil des Jobs eines Radprofis. Der andere Teil ist die Präsentation des Teams, jeweils eine Stunde vor den täglichen Startzeiten. Da herrscht für alle Anwesenheitspflicht, auch wenn sich in Zeiten von Corona das Interesse oft in Grenzen hält. Nicht eingerechnet sind in diesen Zeitplan die Transfers von und zu den jeweiligen Etappenorten. Zuweilen sitzen wir da zwei Stunden im Teambus. Und wenn dann ein Tag um 6:30 Uhr mit dem Frühstück beginnt und erst mit dem Abendessen um 21 Uhr endet, dann lässt sich die Anforderung an die Fahrer erahnen. Zumal dies seit Anfang der Woche unser normaler Arbeitsalltag ist.
Es fühlt sich an, als wolle man die Gesundheit der Fahrer mit der Brechstange gefährden. Vielleicht sollte man sich seitens des Veranstalters darüber Gedanken machen, dass dadurch das Immunsystem extrem belastet ist.
Die Tour de France hat in diesem Jahr gezeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Ganze zwei Etappen waren länger als 200 km und nur dreimal betrug die Siegerzeit mehr als fünf Stunden. Dennoch war jeder Tag voller Aktion, Spannung und Attacken. Es muss also nicht immer höher oder weiter gehen, um auch ein Spektakel zu sein.