Ohne Happy End die Zielgerade überquert

Medwedew zerstört mit Dreisatzerfolg im Endspiel Traum von Dominic Thiem bei ATP Finals.
London Daniil Medwedew zuckte nach dem verwandelten Matchball nur kurz mit den Schultern – den größten Erfolg seiner Karriere nahm er fast gleichgültig hin. Doch dann huschte dem 24-jährigen Russen doch noch ein Lächeln über die Lippen, als er den unterlegenen Dominic Thiem in den Arm nahm. Zwei Wochen nach dem Sieg beim Masters-1000-Turnier in Paris hat Medwedew auch bei den ATP Finals in London triumphiert und surft nach einem bärenstarken Saison-Endspurt auf der Welle des Erfolgs in die Winterpause. Der Weltranglistenvierte gewann das Endspiel mit viel Moral gegen US-Open-Champion Thiem 4:6, 7:6 (7:2), 6:4. „Was für ein Match! Vielleicht einer der besten Siege meiner Karriere“, sagte Medwedew, nachdem er den mächtigen Silberpokal im Konfettiregen in die Höhe gestemmt hatte. „Natürlich bin ich enttäuscht, aber Daniil verdient es wirklich“, gratulierte Thiem, der sich im Duell um den Finalplatz mit 7:5, 6:7(10), 7:6(5) gegen den serbischen Weltranglistenersten Novak Djokovic behauptet hatte.
Die Abschiedsvorstellung in der fast menschenleeren Halle entwickelte sich von Anfang an zu einem ausgeglichenen und hochklassigen Kräftemessen. Wie hart umkämpft das Finale werden sollte, zeigte Thiems erstes Aufschlagspiel, das alleine zehn Minuten dauerte. Beide Spieler waren sofort auf Betriebstemperatur und verwickelten sich immer wieder in lange Ballwechsel, mit einem Doppelfehler schenkte Medwedew Thiem das erste Break zum 3:2. Den Vorteil gab der Österreicher nicht mehr her. Auch im zweiten Satz agierten beide Spieler meist auf Augenhöhe, zeigten aber nur phasenweise hochklassiges Tennis. Medwedew kam zwar bei eigenem Aufschlag immer wieder in Schwierigkeiten, doch Thiem ließ gute Chancen zur Vorentscheidung fahrlässig liegen und Medwedew bestrafte ihn im Tiebreak. Im Entscheidungssatz stand dann auf einmal Thiem mit dem Rücken zur Wand, bei 1:1 wehrte er gleich drei Breakbälle ab. Wenig später konnte er sich aber nicht mehr befreien, Medwedew wurde immer stärker und schnappte sich das Break zum 3:2. Der Moskauer zeigte keine Schwäche mehr und sicherte sich den Siegerscheck über umgerechnet 1,32 Millionen Euro.
Im Champions-Tiebreak verloren
Auch die zweite Entscheidung am vielleicht erfolgreichsten Tag in der Geschichte des rot-weiß-roten Tennissports endete ohne Happy End aus ÖTV-Sicht: Der 39-jährige Jürgen Melzer und sein französischer Partner Edouard Roger-Vasselin wurden ebenfalls auf der Ziellinie abgefangen. Die Überraschungs-Finalisten mussten sich gegen die niederländisch-kroatische Paarung Wesley Koolhof/Nikola Mektic mit 2:6, 6:3, 5:10 geschlagen geben. Damit wurde es nichts aus dem ersten Doppel-Triumph beim Masters für einen Österreicher. 2007 zog der Harder Julian Knowle mit dem Schweden Simon Aspelin beim ATP Masters in Schanghai in souveräner Manier ins Endspiel ein, beide mussten dort aber Mark Knowles/Daniel Nestor (Bah/Can) nach einem 2:6, 3:6, 2:6 den Vortritt lassen.
Tennis
ATP Finals 2020 in London
Halbfinale: Dominic Thiem (AUT-3) – Novak Djokovic (SRB-1) 7:5, 6:7(10), 7:6(5); Daniil Medwedew (RUS-4) – Nadal (ESP-2) 3:6, 7:6(4), 6:3; Finale: Medwedew – Thiem – 4:6, 7:6(2), 6:4
Doppel, Halbfinale: Weseley Koolhof/Nikola Mektic (NED/CRO-5) – Marcel Granollers/Horacio Zeballos (ESP/ARG-4) 6:3, 6:4; Jürgen Melzer/Eduoard Roger-Vasselin (AUT/FRA-8) – Rajeev Ram/Joe Salisbury (USA/GBR-2) 6:7(4), 6:3, 10:8; Finale: Koolhof/Mektic – Melzer/Roger-Vasselin 6:2, 3:6, 10:5