Super Bowl 55: Zwischen Trump und Black Lives Matter

Der Schlingerkurs der National Football League.
Schwarzach „Die USA sind ein gespaltenes Land“, war und ist in vielen außenpolitischen Analysen rund um den Jahres- und vor allem Präsidentschaftswechsel zu hören. Nirgendwo trifft diese Einschätzung auch so gut zu wie beim Umgang der NFL mit den Eskapaden des Ex-Präsidenten oder den Anliegen der Black Lives Matter-Bewegung. Und obwohl es ein fast unmöglicher Spagat zwischen diesen beiden Extrema ist, so hat die NFL auch dies vorerst ausgesessen.
NFL und Trump
Die 32 Teams in der nordamerikanischen National Football League (NFL) stehen fast ausnahmslos im Besitz von Multimilliardären. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Steuererleichterungen und diverser anderer Zuwendungen ist ein nicht gerade kleiner Teil der Teambesitzer tendenziell dem republikanischen Lager zuzurechnen. Manche Owner halten sich mit Spenden an Demokraten und Republikanern freilich beide Lager gewogen. Ein Schelm, wer hier politischen Opportunismus vermuten würde.
Als trump’sche Twittertiraden noch an der Tagesordnung waren, bekam auch die NFL mit schöner Regelmäßigkeit ihr Fett weg. Athleten, die es wagten, bei der Hymne vor dem Spiel zu knien? „Feuert sie!“ TV-Quoten, die im Vergleich zu den letzten Jahren maximal stagnieren? „Eingebrochen, weil Spieler und Fans der Hymne oder US-Flagge keinen Respekt zollen!“
Nun mag man letztgenannte Kausalität berechtigt hinterfragen, viel lohnenswerter und verräterischer ist allerdings der Blick auf die Appeasement-Politik der NFL wenn es nicht nur um Trump, sondern vor allem das eher konservative (Fan-)Lager geht.
NFL und Black Lives Matter
Unter diesen Voraussetzungen ist Black Lives Matter (kurz BLM) in einer Liga, in der mittlerweile 70 Prozent aller Spieler afroamerikanische Wurzeln haben, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt gekommen. Denn die NFL ist eine Entität, die in ihrer Profitmaximierung – manche würden hier statt Maximierung das Wort Gier verwenden – seit Jahren versucht, nur nicht anzuecken. Friktion ist schlecht für’s Geschäft, auch, weil es neue TV-Verträge auszuhandeln gilt.
Bestes Beispiel dafür? Einmal mehr Colin Kaepernick. Als der Quarterback der San Francisco 49ers 2016 begann, mittels knien während der US-Hymne gegen systemische Polizeigewalt gegenüber Afro-Amerikanern zu protestieren, wurde er binnen weniger Monate zur Persona non grata (unerwünschte Person).
Der mittlerweile 33-Jährige befindet sich zwar noch im Football-fähigen Alter, hat aber seit ebenjener Saison 2016 kein einziges Down mehr gespielt. Und auch wenn Kaepernick mittlerweile hochoffiziell rehabilitiert worden wäre, er ist und bleibt die heiße Kartoffel, die niemand anfassen will. Zu groß ist die Angst vor den Reaktionen, die seine Verpflichtung nach sich ziehen könnte.
Auch ein Blick in Richtung National Basketball Association (NBA) offenbart viel über den Umgang mit den Anliegen von BLM. Dort sind Spieler bzw. die Spielergewerkschaft deutlich treibendere Kräfte als das in der NFL der Fall ist. Große Protestaktionen, große Flächen für Botschaften gegen Polizeigewalt oder Rassismus und große Spieler, die sich klar(er) deklarieren; all das wird in der NFL bisher nur halbherzig vorgelebt. Nicht nur, aber auch deswegen wird es spannend sein, wie und wohin sich die NFL ohne Trump im Weißen Haus entwickeln wird. Eigentlich wichtiger: wohin sie sich entwickeln will.
Martin Pfanner ist selbstständiger Journalist, TV-Kommentator und Produzent. Er arbeitet u.a. für PULS 24, den Schweizer Sportsender MySports und das Streaming-Portal DAZN. American Football und Eishockey sind seine großen Passionen.