Mit Hirn und Instinkt zu WM-Gold

Vincent Kriechmayr triumphierte im Super-G in Cortina, Mayer auf Rang sechs.
Cortina d‘Ampezzo Vincent Kriechmayr hat seine Favoritenrolle vollauf bestätigt und am Donnerstag in Cortina d‘Ampezzo WM-Gold im Super-G erobert. Der 29-jährige Oberösterreicher siegte in 1:19,41 Minuten sieben Hundertstelsekunden vor dem nun für Deutschland startenden Tiroler Romed Baumann. Bronze ging an den Franzosen Alexis Pinturault (+0,38 Sek.). Matthias Mayer (+0,60) aus Kärnten wurde unmittelbar hinter Titelverteidiger Dominik Paris aus Südtirol (+0,55) Sechster.
Die Schlüsselstelle
0,22 Sekunden fehlten Mayer am Ende auf seine erste WM-Medaille. Die beiden anderen Kärntner Max Franz und Christian Walder schieden aus. Für „Vinc“ Kriechmayr war es die bereits dritte WM-Medaille nach Super-G-Silber und Abfahrts-Bronze vor zwei Jahren in Aare.
Die erste WM-Entscheidung der Herren begann mit Ausfällen der ersten drei Läufer, darunter auch der mit Nummer eins gestartete Walder. Alle begingen einen Torfehler nach dem Sprung vor der ersten Zwischenzeit. „Das war keine einfache Situation“, gestand Kriechmayr, der mit Nummer fünf zu Gold raste. „Ich wusste, dass es eine schwierige Passage ist.“ Der Vizeweltmeister von Aare meisterte diese Schlüsselstelle schließlich „mit einem 100-Meter-Drift“ und war danach „heilfroh, dass ich es oben so gut überstanden habe“.
Hut ab! kommentierte ÖSV-Herren-Chefcoach Andreas Puelacher die Leistung von Kriechmayr mit denselben Worten wie Speed-Trainer Josef „Sepp“ Brunner. Nach dem Rennbeginn mit den Ausfällen noch, habe „richtig Alarm bei den Trainern da oben“ geherrscht, berichtete Brunner, schließlich stand mit Nummer fünf bereits Kriechmayr am Start. „Wir haben das alle falsch eingeschätzt. Es hat international keinen Trainer gegeben, der das richtig einschätzen hätte können“, versicherte Brunner. „Nach den Ausfällen haben wir sehr gut reagiert und Vincent die Anweisungen sehr gut umgesetzt.“ Laut Brunner war „sehr viel mit Instinkt zu machen. Der Athlet musste selbst die richtige Entscheidung treffen, um das so gut wie möglich durchzubringen da oben. Er hat das sehr, sehr gut gelöst“, lobte der Abfahrtschef Kriechmayr für den „verdienten“ WM-Triumph. „Er ist gereift über die Jahre“, ergänzte Puelacher und verriet, dass Kriechmayr schon am Vorabend trotz Topfavoritenrolle „einen brutal lockeren Eindruck gemacht“ habe.
Für Kriechmayrs ÖSV-Teamkollegen zerplatzten die Medaillenträume an der Schlüsselstelle. „Man hätte ein bissl mehr mit Hirn fahren sollen wie der Vinc“, ärgerte sich etwa Walder über sein Out. „Ich habe mir viel vorgenommen und mich gut gefühlt, aber es ist leider scheiße gelaufen.“ Franz wurde dagegen zu viel Risiko zum Verhängnis, nachdem er nach der ersten Zwischenzeit als Dritter mit 15,88 Sekunden sogar noch sieben Hundertstelsekunden vor Kriechmayr gelegen war.
Zu viel riskiert
„Der Fehler war vier Tore oberhalb, ich habe mich über den Hang nicht mehr erfangen“, erklärte der 31-jährige Kärntner. „Schade, es hat mir heute richtig gut gefallen. Ich bin oben gut weggefahren. Man hat bei der Besichtigung gesehen, dass es eine schwierige Passage wird. Dass der Sprung so weit geht und das Tempo so hoch ist, da haben wir uns alle ein bissl getäuscht. Man muss es fahren können, ich habe zu viel riskiert. Vinc ist es sauber gefahren.“
Mayer ließ dort dagegen zu viel Vorsicht walten. „Ich habe auf jeden Fall zu viel rausgenommen, bin über den Sprung schon mit Vorsicht drübergefahren. Da habe ich die Zeit verloren“, wusste der 30-Jährige, wo er die entscheidenden Hundertstel auf Bronze liegen gelassen hatte. Gleichzeitig gratulierte der zweifache Olympiasieger (Abfahrt 2014 und Super-G 2018) Kriechmayr: „Vinc hat es super erwischt. Das hat er sich richtig verdient.“
„Vincent Kriechmayr fuhr bei schwierigen Bedingungen richtig gut. Mit ihm hat der Beste Gold gewonnen.“


Ski-WM
Bisherige WM-Ski-Goldmedaillen für
Österreichs Herren im Super-G
1991 Saalbach: Stephan Eberharter
1999 Vail: Hermann Maier
2003 St. Moritz: Stephan Eberharter
2015 Beaver Creek: Hannes Reichelt
2021 Cortina: Vincent Kriechmayr