Vorarlberg going for Gold
Diese Devise, einst von Patrick Ortlieb ins Leben gerufen, kam früher und überwältigender als gedacht. Ich muss zu meiner Schande eingestehen, dass ich mit meiner Medaillenprognose wieder mal daneben lag. Ich traute Kathi nur eine Goldene, nämlich diejenige im Slalom, zu. Umso glücklicher bin ich zusammen mit vielen Vorarlbergern, dass wir in diesen zwei WM-Wochen den neuen Superstar aus dem Ländle erleben durften.
Es war schon in den ersten Läufen im Parallelbewerb sichtbar, dass Kathi ein unglaubliches Selbstbewusstsein an den Tag legt. Gegen Lokalmatadorin Marta Bassino im Finale die Nerven zu behalten und mit schlechten Voraussetzungen bis zum letzten Meter zu kämpfen, war sehenswert. Die ex aequo Goldene war der verdiente Lohn für diese erbrachte Leistung.
Dann doppelte sie gleich nach mit dem äußerst schwierigen Riesenslalom. Nur ein schwerer Fehler, wobei sie fast zu Sturz kam, verhinderte eigentlich die nächste Goldene.
Das Schäufelchen draufgelegt
Und dann der heiß erwartete Slalom, für den Liensberger mit Petra Vhlova, Mikaela Shiffrin und Michelle Gisin als Top-Anwärterin für eine Medaille eingestuft wurde. Gewonnen hatte sie ja bisher noch nie. Keiner konnte sich vorstellen, dass die 23-Jährige nach ihren Weltcupresultaten ausgerechnet beim wichtigsten Rennen der Saison noch das berühmte Schäufelchen drauflegen könnte.
Der tückische und schwere erste Durchgang mit Nummer eins war bezeichnend für die Überform von Kathi. Mit einem brillianten Rhythmus und ohne die geringste Unsicherheit meisterte sie den eisigen Starthang und ließ dann die Skier im Flachen so richtig laufen. Eine kleine Schrecksekunde vor dem Ziel meisterte sie souverän und legte eine Bestzeit hin vor der fehlerfreien Vhlova. Wirklich beeindruckend!
Wie kann man die Konzentration für den zweiten Lauf konservieren? Es war klar, dass Shiffrin alles auf eine Karte setzen würde, genauso wie Vhlova. Es gab nur eine Möglichkeit, dieses Rennen zu gewinnen, mit Vollgas vom ersten Tor weg.
Ich schaute das Rennen auf dem Schweizer Sender an und hörte Tina Weirather nach dem überragenden zweiten Lauf von Vhlova sagen: „Ich möchte jetzt nicht in der Haut von Kathi stecken!“
Sekunden später stieß sich Liensberger aus dem Starthaus und der Rhythmus war wieder vom ersten Tor an da. Eine Eleganz, als ob sie noch nie etwas anderes gemacht hätte, und das bei völlig anderen Pistenverhältnissen wie im ersten Durchgang. Es gab nie einen Zweifel, wer dieses Rennen gewinnen würde, und sie gewann souverän mit einer Sekunde vor Vhlova und zwei vor Shiffrin. Sowas hat es seit neun Jahren nicht mehr gegeben!
Im Schweizer Fernsehen beschrieb Fachkommentatorin Tina Weirather die Emotionen nach dem überragenden Sieg von Liensberger besser als alle: „Ich bin völlig sprachlos!“
„Ich bin so wie viele Vorarlberger glücklich darüber, dass ich bei der WM den neuen Superstar aus dem Ländle erleben durfte.“
Marc Girardelli
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Marc Girardelli zählt mit fünf Gesamt-Weltcupsiegen zu den erfolgreichsten alpinen Rennläufern im Skizirkus.
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