„Da sagte ich mir: Der helf‘ ich“

Sport / 23.03.2021 • 22:32 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Der Präsident und die Kathi: Peter Schröcksnadel hat Katharina Liensberger ins Herz geschlossen und umgekehrt: ein Powerduo.gepa
Der Präsident und die Kathi: Peter Schröcksnadel hat Katharina Liensberger ins Herz geschlossen und umgekehrt: ein Powerduo.gepa

Peter Schröcksnadel über Vorarlbergs neuen Skistar und seinen Abschied als ÖSV-Präsident.

Innsbruck Peter Schröcksnadel (79) wurde für unseren neuen Ski­stern Katharina Liensberger zu einer engen Bezugsperson. Wie er die Doppelweltmeisterin von Cortina d‘Ampezzo charakterisiert, wie aus einer Konfliktsituation eine tiefe Verbundenheit wurde, wie er seine 31 Jahre als ÖSV-Präsident erlebt hat und wie er seine Präsidentenpension gestalten will – das alles erzählt Peter Schröcksnadel im vn.at-Interview, das mit Assistenz des fünffachen Weltcupgesamtsiegers Marc Girardelli geführt wurde.

Versöhnlicher Saisonabschluss, ein Skiverband, der bestens aufgestellt ist, gute Perspektiven für den Nachfolger – sind Sie als scheidender ÖSV-Präsident ein rundum glücklicher Mensch?

Schröcksnadel Wenn‘s Glück nur davon abhängt, dass andere gewinnen, dann schon (Iacht). Aber ich bin wirklich sehr zufrieden. Ich empfinde im Moment keine Wehmut. Jeder Job geht irgendwann einmal zu Ende, wie die Zeit eines Rennfahrers auch. Ich habe in diesem Geschäft alles erlebt, was man erleben konnte. Was mir abgehen wird, sind die Sportler und die Athleten. Für die bin ich da gewesen.

Was war für Sie das schlimmste Ereignis der abgelaufenen Skisaison, was das Schönste?

Schröcksnadel Über das Schlimmste will ich gar nicht reden. Ich rede viel lieber über das Schöne. Da gab es einige gleichrangige Highlights: Der Titel der Hauser (Anm.: Biathlon-Weltmeisterin), die Bronzemedaille vom Schwarz im Riesentorlauf, dessen Gold in der Kombi. Und natürlich auch die Kathi Liensberger. Dass die einen WM-Slalom so gut fährt und mit einem Vorsprung gewinnt, wie ihn vorher andere hatte. Gefallen hat mir auch der Stephan Kraft, der bei der WM auf der Großschanze gewann.

Gibt es für Sie ein Erlebnis, das Sie in Ihrer 31-jährigen Amtszeit als ÖSV-Präsident als das prägendste bezeichnen würden?

Schröcksnadel Es hat viele prägende Erlebnisse gegeben. Nie vergessen werde ich den Sturz vom Hermann Maier in Nagano. Er konnte wegen dem lädierten Knie eigentlich nicht mehr fahren. Dann ist der Dr. Lutz gekommen, hat ihm den Bluterguss aus dem Knie herausgezogen, und am nächsten Tag ist Maier wieder gefahren.

Kommen wir zu unserem neuen Skistar Katharina Liensberger. Warum schwärmt die Göfnerin so von Ihnen und kann Sie in Interviews gar nicht oft genug erwähnen?

Schröcksnadel Es nahm den Anfang in jener schwierigen Situation, als es diese Materialdiskussion gab. Ich bin damals auch stur geblieben. Weil es einfach nicht gegangen ist, was sie wollte. Ich wollte auch nicht, dass sie ein so großes Risiko eingeht. Ein Materialwechsel kann einen Rennläufer ein, zwei Jahre zurückwerfen. Sie war schnell auf ihrem alten Material. Sie hat das dann irgendwann verstanden. Ich habe ihr daraufhin als ein im Sport Erfahrener ein paar Tipps gegeben. Ich sagte ihr: ‚Du musst jetzt nicht hingehen und gewinnen. Mach einen Schritt, dann den nächsten, dann wieder den nächsten. Fahre konstant. Nimm das Herz in die Hand und denk nicht lange nach.‘

Aber da muss es doch auch einen konkreten Eisbrecher gegeben haben, der dann zu dieser Harmonie geführt hat.

Schröcksnadel Das will ich nicht öffentlich diskutieren. Aber ich habe ihr sicherlich mental helfen können. Der Hauptpunkt war: Sie hat Vertrauen zu mir gewonnen. Ich weiß: Wenn du durchs Leben gehst, dann brauchst du Leute, denen du vertrauen kannst. Und die Gewissheit, dass die nicht irgendetwas für dich aus Eigennutz machen, mit einem Hintergedanken im Kopf. Sie hat auch verstanden, dass es nichts nutzt, wenn du jetzt vielleicht Geld bekommst, du dann aber irgendwo anstehst. Das Geld kommt automatisch mit dem Erfolg. Wir haben ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Ich konnte ihr die Angst nehmen vor dem Verlieren. Ich sagte ihr: Das Gewinnen muss passieren. Und wenn‘s passiert, weißt du ganz genau, wie du fahren musst, damit du gewinnst.

Dass sie toll Skifahren kann, hat man schon einige Jahre gesehen. Aber dann kam auf einmal dieser Kampfgeist, diese totale Risikobereitschaft dazu.

Schröcksnadel Wenn ich dazu beigetragen haben sollte, dann freut‘s mich. Ich glaub schon, dass ich dass ein bissl‘ konnte.

Was schätzen Sie an Kathi Liensberger? Was unterscheidet sie von anderen?

Schröcksnadel Dazu fällt mir eine Anekdote ein. Es war beim Weltcupfinale in Soldeu in Andorra vor zwei Jahren. Sie war mit einem Trainer im Gespräch, weinte ein bisschen. Ich hör‘ sie sagen: ‚Ich will nix anderes als besser werden und mehr trainieren.‘ Der Trainer antwortete ihr: ‚Ja, das will jede.‘ Da fand ich eine blöde Antwort. Der soll ihr sagen:‘Wo kann ich dir denn helfen? Wo fehlt‘s‘. Mir hat ihre Einstellung imponiert. Ich dachte mir: Die hat einen Geist. Aus solchem Holz sind gute Athleten geschnitzt. Von dem Moment an sagte ich mir: ‚Der helf‘ ich. Und wir haben dann in ihrem Umfeld auch gleich etwas verändert.

Sie ist jetzt berühmt und eine Nationalheldin. Wie soll sie mit dieser Popularität umgehen?

Schröcksnadel Sie soll genau so sein und weitermachen wie bisher. Wenn man am Boden bleibt, macht man alles richtig. Sie neigt sicher nicht dazu, abzuheben.

Die letzte große Vorarlberger Skiheldin war Anita Wachter. Kann man die beiden vergleichen?

Schröcksnadel Die Anita ist ein völlig anderer Typ. Ich habe sie sehr gerne mögen. Sie ist eher introvertiert, eher ruhig. Die Katharina hat einen Redefluss, da geht alles aus ihr heraus. Was sie gemeinsam haben: Sie sind beide Top-Athletinnen.

Nochmals zu Ihnen. Es gibt in Vorarlberg Gerüchte, Peter Mennel, derzeit Generalsekretär des ÖOC, könnte ein heißer Kandidat für Ihre Nachfolge sein.

Schröcksnadel Er wäre für mich ein Wunschkandidat gewesen. Aber er ist voll mit der Vorbereitung der kommenden Olympiaden beschäftigt. Da kann er nicht einfach davon laufen. Das muss man respektieren.

Wie wird Ihr Leben nach der ÖSV-Präsidentschaft aussehen?

Schröcksnadel Da gibt es genug zu tun. Ich werde wohl jetzt meinen Sohn ärgern, wenn ich wieder mehr im Geschäft bin. Eines habe ich mir aber vorgenommen: Dass ich in allen meinen Skigebieten wenigstens einen Tag lang Skifahren gehe. Und dann bin ich auch noch in einem universitären Projekt über Krebsforschung tätig.

Zusammen mit Marc Girardelli (l.) unterhielt sich Klaus Hämmerle mit dem Präsidenten.steurer
Zusammen mit Marc Girardelli (l.) unterhielt sich Klaus Hämmerle mit dem Präsidenten.steurer
Der Präsident und die Kathi: Peter Schröcksnadel hat Katharina Liensberger ins Herz geschlossen und umgekehrt: ein Powerduo.gepa
Der Präsident und die Kathi: Peter Schröcksnadel hat Katharina Liensberger ins Herz geschlossen und umgekehrt: ein Powerduo.gepa

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