Christian Klien nach Monaco-GP: Hut ab vor Charles Leclerc

Monaco Das Drama rund um Ferrari und Charles Leclerc war in Monaco das Thema Nummer eins. Ferrari war das ganze Wochenende über sehr stark. Der kürzere Radstand des Autos auf dem winkligen Stadtkurs von Monaco spielte eine wesentliche Rolle, ebenso waren die Roten bei der Motorleistung im Vorteil.
Leclerc markierte in der ersten Ausfahrt in Q3 die Bestzeit. Allerdings hatten alle zehn Piloten einen zweiten Reifensatz, mit dem sie im Abschluss nochmals auf eine schnelle Runde gingen, Charles musste also auch nachlegen. Verstappen, Bottas und Sainz konnten sich im ersten und zweiten Sektor verbessern und waren in der Lage, auf die Pole zu fahren. Man konnte sehen, wie sehr allesamt ans absolute Limit gingen. Am Ende war es ausgerechnet der Lokalmatador, der in der Schwimmbad-Kurve die Leitplanken touchierte und in der Mauer landete. Die rote Flagge kam raus, Leclerc blieb somit auf der Pole.
Danach ging das große Rätselraten los. Wie stark ist der Ferrari von Charles beschädigt, kann er am Sonntag von der Pole losfahren? Grundsätzlich gilt zwischen Qualifying und Rennen die Parc-Fermé-Regel: Es darf nichts mehr an den Autos verändert werden. Im Falle eines Unfalls können allerdings die Schäden behoben werden, das Auto darf in die ursprüngliche Spezifikation repariert werden. Hätte das Chassis versetzt werden müssen, wäre er auf den letzten Startplatz ersetzt worden. Bei einem Getriebewechsel hätte Ferrari fünf Startplätze eingebüßt, der Sieg wäre somit in weite Ferne gerückt. Am Renntag, um 12.15 Uhr, meldete Ferrari, dass die Kraftübertragung im Auto verbleiben kann. Die Untersuchungen hatten zum Ergebnis geführt, dass dieses Risiko vertretbar sei.
Man spürte im ganzen Fahrerlager die Erleichterung, man freute sich für Charles Leclerc, der zuvor noch kein einziges Rennen in seinem „Wohnzimmer“ Monte Carlo beenden konnte.
Der Knall kam in der Runde zur Startaufstellung. Ausgangs der Loews-Kurve meldete sich Leclerc auf dem Boxenfunk mit den Worten „No, no, no“. Es wurde still in der Boxengasse, man fühlte mit dem Monegassen.
In der Garage stellten die Mechaniker schnell fest, dass die Misere vom Getriebe her rührte. Seltsam: Die Antriebswelle war an der linken Radseite ausgerissen, der Einschlag in die Mauer erfolgte aber auf rechts. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto meinte dazu: „Der Schaden hat wahrscheinlich nichts mit dem Unfall zu tun. Selbst wenn wir das Getriebe gewechselt hätten, wäre es passiert.“ Vermutlich wurden nicht genügend Teile ausgetauscht, es fehlte wohl die Zeit, um das Auto neu aufzubauen.
Für Leclerc war es ein rabenschwarzer Tag. Es wäre ihm niemand böse gewesen, wenn er sich nach dem Ausfall sofort verdrückt und das Rennen von zu Hause aus angesehen hätte. So groß die Enttäuschung war, so vorbildlich sein Teamgeist. Leclerc blieb das ganze Monaco-Rennen über an der Box und war einer der Ersten, die seinem Teamkollegen Sainz zu Platz zwei gratulierten. Hut ab.
Christian Klien (38) ist Automobilrennfahrer und letzter österreichischer Pilot in der Formel 1. Als ServusTV-Experte kommentiert er die Königsklasse für die VN.