Der „Wolfman“ ist noch lange nicht satt

Sport / 12.07.2021 • 22:06 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Zum dritten Mal in Folge und sechsten Mal in den letzten zehn Jahren wurde der Name Novak Djokovic in die Wimbledon-Ehrentafel eingraviert.AFP
Zum dritten Mal in Folge und sechsten Mal in den letzten zehn Jahren wurde der Name Novak Djokovic in die Wimbledon-Ehrentafel eingraviert.AFP

Novak Djokovic stellt trotz der Möglichkeit eines Golden Slam einen Olympiastart infrage.

London Natürlich musste sie in diesem historischen Moment wieder kommen, die unvermeidliche Frage nach dem besten Tennisspieler der Geschichte. Und natürlich redete Novak Djokovic mit der breiten Brust eines frischgebackenen Grand-Slam-Rekordchampions nicht drum herum. „Ich halte mich für den Besten, und ich glaube, dass ich der Beste bin“, sagte der Serbe nach seinem sechsten Titel in Wimbledon, „sonst würde ich nicht so selbstbewusst davon sprechen, Grand Slams zu gewinnen und Geschichte zu schreiben.“

Grand Slam und Golden Slam

Pete Sampras, Björn Borg oder Andre Agassi hat der 34-Jährige in den Statistiken schon längst hinter sich gelassen, seinen Ex-Coach Boris Becker sowieso. Doch mit diesem irrsinnigen 20. Grand-Slam-Titel ist Djokovic endlich da angekommen, wo er seit Jahren hinwollte: ganz oben, auf einer Stufe mit seinen großen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal.

Gewiss sei es „schwierig, die verschiedenen Epochen des Tennis zu vergleichen“, sagte Djokovic. Und deshalb will er einfach Kunststücke vollbringen, die in der heutigen Zeit unerreichbar schienen. Den Grand Slam etwa, der Sieg bei allen vier Major-Turnieren im selben Jahr. In der Ära des Profitennis war diese Meisterleistung lediglich Australiens Legende Rod Laver 1969 gelungen – Djokovic fehlt nur noch der Titel bei den US Open zur perfekten Saison.

„Ich träume immer davon, das Größte im Sport zu erreichen“, sagte er. Und in diesem geschichtsträchtigen Jahr wäre ja sogar das Allergrößte drin: der legendäre Golden Slam. Den Viererpack in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York plus Olympia-Gold, das hat noch kein Mann geschafft. Und bei den Frauen auch nur die Deutsche Steffi Graf 1988.

Doch nach seinem Wimbledonsieg gegen Matteo Berrettini ließ er offen, ob er tatsächlich nach Tokio reisen wird. Die strengen Restriktionen für die Sportler bei den anstehenden Sommerspielen (23. Juli bis 8. August), der fehlende Austausch untereinander, die leeren Stadien – all das verdirbt Djokovic die Lust. „Im Moment bin ich ein bisschen zwiegespalten“, sagte er, es sei „eine 50:50-Entscheidung“.

Damit ist er nicht alleine. Federer wollte sich ebenso noch nicht festlegen und die Superstars Nadal und Serena Williams haben schon abgesagt, Dominic Thiem und Simona Halep fehlen verletzt – der Stellenwert des olympischen Tennisturniers hat bereits enormen Schaden genommen. „Ich werde darüber nachdenken müssen“, sagte Djokovic.

Der Größte aller Zeiten

Doch selbst ohne Olympia-Gold ist sein Name in der schwierigen, aber so gern geführten Debatte um den „GOAT“, den Größten aller Zeiten, weit oben. Der 34-Jährige mag nicht diese Eleganz und Leichtigkeit eines Federer haben, nicht diese Urgewalt eines Nadal – doch dank seines unbändigen Willens und seiner unerschütterlichen mentalen Stärke sind die Grenzen für ihn nach oben offen. Geprägt hat ihn die Kindheit während des Balkan-Konflikts in den 90er-Jahren. „Wir mussten immer neue Wege finden, um zu überleben, das hat meinen Charakter gefestigt“, erzählte er im Laufe des Wimbledon-Turniers über diese entbehrungsreiche Zeit und verriet sogar noch: „Ich bin in den Bergen aufgewachsen und habe viel Zeit mit Wölfen verbracht – das ist Wolfsenergie.“

Und der Hunger des „Wolfman“ nach weiteren Rekorden ist noch lange nicht gestillt.

„Ich halte mich für den Besten, und ich glaube, dass ich der Beste bin.“