Netzers Zukunft ist jetzt

Sport / 09.06.2022 • 19:08 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
2004 im Dress der österreichischen U-19-Elf gegen die Niederlande. gepa/4

2004 im Dress der österreichischen
U-19-Elf gegen die Niederlande. gepa/4

Der 36-jährige Ex-Kapitän des SCR Altach bleibt auch nach Ende seiner Karriere den Rheindörflern treu.

Lochau Ungerechtigkeiten waren nie sein Ding, doch Philipp Netzer musste lernen, damit richtig umzugehen. Wie wohl auch sein Karriereende nach 19 Jahren Profifußball noch einen Lernprozess beinhaltet, denn: „So ganz bewusst ist es mir noch nicht. Ich warte immer noch auf eine Nachricht in unserer whats-app-Gruppe, wann das Training startet“, schmunzelt der 36-Jährige, der vor wenigen Tagen seine langjährige Freundin Ines Dizdarevic heiratete. Im großen VN-Gespräch spricht er über wichtige Stationen.

Die Anfänge Ich war immer dabei, wenn mein Vater im Nachwuchs die Mannschaft meines Bruders trainierte. In der Zeit habe ich den Ball gegen die Mauer des Klubheims „geprügelt“. Ich glaube, ich war sechs Jahre, als ich mit Daniel dann beim SV Lochau angefangen habe. Zwei Jahre jünger als mein Bruder habe ich immer mit ihm gespielt. So hatte ich eine Bezugsperson, musste mich aber stets gegen Ältere durchsetzen. Auch als ich mit ihm bei den Sichtungstagen des Verbandes war und nur mitgehen durfte, weil sich eine ungerade Anzahl an Spielern angemeldet hatten. Es war der Jahrgang 1983/84 dran und ich wurde schließlich Fünfter unter 50 gesichteten Spielern. Zwei Jahre später war ich regulär dran und blieb in der Auswahl, auch dank der Überredungskünste meines Bruders.

Der erste Profivertrag Srdan Gemaljevic war Trainer beim FC Lustenau, Eric Orie der Sportchef. „Das schauen wir uns an“, haben Piero Minoretti und ich damals gemeint. Es war ja nie wirklich mein Ziel, Profifußballer zu werden. Die Saison in der 2. Liga sind wir abgestiegen, weil wir in der Relegation gegen Altach verloren hatten. Da war schon Heinz Fuchsbichler Trainer und ich war in einem Match als Solospitze aufgestellt. Danach bin ich nach Altach gewechselt. Da habe ich unter Hans-Jürgen Trittinger gelernt, professioneller zu denken. Aus dieser Saison habe ich viel für mein Fuß­ballerleben mitgenommen.

Die Lehrjahre in Wien Ich erinnere mich noch an das Doppel-Länderspiel der U-19 gegen Italien und Deutschland. Vor allem gegen die Italiener habe ich richtig stark gespielt und da haben mich die Austria-Trainer Peter Stöger und Frenkie Schinkels gesehen. Sie haben mich nach Wien gelotst, wo für mich als 19-Jähriger vieles neu war. In der Mannschaft waren viele Stars, Nationalspieler aus einigen Ländern. Ich war erstmals weg von zu Hause. Es war nicht einfach, Fuß zu fassen. Deshalb war ich froh, dass die zweite Mannschaft – wie Altach – in der 2. Liga spielte. Als junger Spieler hat dir niemand geholfen. Entweder du hast dich durchgesetzt oder es kommt der Nächste.

Das Kapitel Altach Die Zeit in Wien hat mich geprägt, das hat mir in Altach geholfen. Auch wenn ich nie gedacht habe, dass es zwölf Saisonen werden. Und ich durfte mich als Spieler und als Persönlichkeit entwickeln. Auch dank Rainer Scharinger, der mich zum Kapitän machte. Als Führungsspieler war mir wichtig, jungen Spielern zu helfen. Dass sie sich wohl, dass sie sich geschätzt fühlen. Nur so sind gute Leistungen möglich. Mir war es wichtig, das Gespräch zu suchen und auch zuzuhören. So waren auch die Erfolge möglich: der Meistertitel, die Plätze drei und vier in der Bundesliga und die Spiele in der Europa League. Altach ist mir immer wichtiger geworden, deshalb bin ich gerne hier geblieben und habe hier die Herausforderungen gesucht. Die letzte Saison wird mir auch in Erinnerung bleiben. Es war so anstrengend, auch wenn ich wenig gespielt habe. Diese Mannschaft, jeder einzelne Spieler, hat im Frühjahr so viel Energie verwendet, um den Klassenerhalt zu schaffen. Das sind die Momente, die du als Spieler suchst. Gemeinsam ein Ziel zu erreichen, auch wenn die Ausgangslage aussichtslos scheint. Das vergisst du nie. Das werde ich sicher vermissen.

Die Zukunft Ich möchte mithelfen, Altach weiterzuentwickeln. Wir haben uns auf zwei Jahre geeinigt, in denen ich verschiedene Bereiche in der Geschäftsstelle durchlaufe, zudem als Cotrainer von Louis Mahop bei den Juniors agiere. Ob als spielender Trainer, wird man sehen. Im Herbst schließe ich den B-Lizenz-Trainerkurs ab.

„Als Fußballer willst du gemeinsam Erfolge feiern. Das werde ich sicher vermissen.“

Im zarten Alter von 15 Jahren als Spieler des BNZ Vorarlberg.ms

Im zarten Alter von 15 Jahren als Spieler des BNZ Vorarlberg.ms

Als Kapitän war Philipp auf und neben dem Platz sehr wichtig.

Als Kapitän war Philipp auf und neben dem Platz sehr wichtig.

Reisen gehört zum Job als Fußballer, ob in der Liga oder im Europacup.

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Als 19-Jähriger im FC-Lustenau-Dress gegen Marko Stankovic und Roland Rinnhofer.

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Nach zwölf Saisonen als Spieler bleibt Netzer Altach treu.

Nach zwölf Saisonen als Spieler bleibt Netzer Altach treu.

Zur Person

PHILIPP NETZER

Unterschrieb seinen ersten Profivertrag als 17-Jähriger beim FC Lustenau

Geboren 2. Oktober 1985 in Bregenz

Schule Matura Sportgymnasium Dornbirn

Familie verheiratet, Gattin Ines

Laufbahn SV Lochau, AKA Vorarlberg, FC Lustenau (2003/04), SCR Altach (2004/05), FK Austria Wien (2005 bis 2009), SCR Altach (2009 bis 2022)

Statistik Bundesliga 171 Spiele/12 Tore; 2. Liga 246/33; ÖFB-Cup 23/3, Europacup 14/3; ÖFB U-21 1/0; ÖFB U-20 4/0