Erst siegt das Opfer, dann der „Täter“

Sport / 03.07.2022 • 19:20 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Dylan Gronewegen holte den Tagesssieg auf der dritten TdF-Etappe.APA
Dylan Gronewegen holte den Tagesssieg auf der dritten TdF-Etappe.APA

Jakobsen und Groenewegen schreiben unglaubliche Tour-Story.

Sönderborg Erst schrieb Fabio Jakobsen vor einem Millionen-Publikum beim dänischen Auftakt der Tour de France ein Radsport-Märchen. Dann schlug 24 Stunden später mit Dylan Groenewegen ausgerechnet der Fahrer zurück, dessen Manöver Jakobsen vor zwei Jahren beinahe getötet hätte: Mit den Etappensiegen der beiden niederländischen Widersacher hat schon das Auftakt-Wochenende für eine der unglaublichsten Geschichten der Frankreich-Rundfahrt gesorgt. „Es war mental eine harte Zeit, nach all dem, was passiert ist. Das ist für meine Frau und meinen Sohn, das bedeutet mir sehr viel“, sagte der 29 Jahre alte Groenewegen, nachdem er die dritte Etappe in Sönderborg im Massensprint in einer Millimeter-Entscheidung vor dem Belgier Wout van Aert gewonnen hatte. Van Aert geht nach drei Tagen bei sagenhafter Volksfest-Stimmung auf den Straßen in Dänemark im Gelben Trikot in den ersten Ruhetag am Montag.

Emotionale Rückkehr

Für Landsmann Jakobsen reichte es nur zu Platz fünf, nach seinem Coup vom Vortag war der 25-Jährige diesmal im Finale eingeklemmt gewesen. Dass er aber knapp 700 Tage nach dem fürchterlichen und von Groenewegen verursachten Crash bei der Polen-Rundfahrt nun ein Tour-Etappensieger ist, war Wunder genug. „Es war ein langer Weg. Ich bin Schritt für Schritt zurückgekommen. Ich bin wirklich glücklich“, sagte der Quick-Step-Profi, der auf der zweiten Etappe den Spurt von Nyborg mit der spektakulären Überquerung der riesigen Storebaelt-Brücke für sich entschied.

Im August 2020 hätte ihn ein schwerer Rennunfall fast das Leben gekostet. In einem Zielsprint bei der Polen-Rundfahrt war Jakobsen von seinem Landsmann Groenewegen in die Absperrung gedrängt worden. Mit schweren Kopfverletzungen und nur noch einem Zahn im Mund lag Jakobsen im künstlichen Koma, das Schlimmste war zu befürchten. „In dieser dunklen Phase hatte ich Angst, nicht zu überleben“, sagte er. Mit viel Glück und Willenskraft überlebte Jakobsen. Und mehr noch: Ein Dreivierteljahr später fuhr er wieder Rennen und feierte nun seinen ersten Tour-Erfolg: „Die Tour de France ist das Größte, ich wollte immer eines Tages hierher. Heute hat sich ein Kreis geschlossen.“

Das Verhältnis zu Groenewegen ist weiterhin kühl, es drohte zwischenzeitlich eine juristische Auseinandersetzung. Groenewegen war nach dem Crash monatelang gesperrt worden, jetzt gelang ihm der erste Tour-Erfolg nach der Zwangspause.

Vor dem Ruhetag verlor keiner der großen Favoriten auf den Gesamtsieg trotz der tückischen Windverhältnisse in Küstennähe Zeit. Titelverteidiger Tadej Pogacar hat acht Sekunden Vorsprung auf den Vorjahreszweiten Jonas Vingegaard, der in seiner dänischen Heimat frenetisch gefeiert wurde. Pogacars Landsmann Primoz Roglic liegt neun Sekunden hinter dem Champion zurück.

Dänen feiern Magnus Cort

Eine ganz große Show für seine begeisterten Landsleute lieferte Magnus Cort ab. Der 29-Jährige sicherte sich am Samstag das Bergtrikot und wurde bei der Siegerehrung wie ein Popstar gefeiert. Einen Tag später ging Cort als Solist auf die Reise, hatte 6:30 Minuten Vorsprung und sammelte unter Riesenjubel die Bergwertungen ein. Nach 130 Kilometern wurde er fröhlich winkend eingeholt.

Die österreichischen Fahrer spielten am ersten Wochenende nur Nebenrollen. Felix Großschartner sprintete auf Platz 31, und Patrick Konrad nimmt mit 46 Sekunden Rückstand Rang 46 ein.

„Es war mental eine harte Zeit, nach all dem, was im August 2020 passiert war.“

Rad

109. Tour de France 2022

2. Etappe, Roskilde – Nyborg (202 km)

1. Fabio Jakobsen (NED) Quickstep 4:34:34 Std., 2. Wout van Aert (BEL) Jumbo, 3. Mads Pedersen (DEN) Trek, 4. Danny van Poppel (NED) Bora,

5. Jasper Philipsen (BEL) Alpecin, 6. Peter Sagan (SVK) Total, alle gleiche Zeit, 31. Felix Großschartner (AUT) Bora, 68. Marco Haller (AUT) Bora,

73. Gregor Mühlberger (AUT) Movistar, 74. Michael Gogl (AUT) Alpecin, 89. Sebastian Schönberger (AUT) B&B Hotels, 90. Patrick Konrad (AUT) Bora, alle gleiche Zeit.

3. Etappe, Velje – Sönderborg (182 km):

1. Dylan Groenewegen (NED) Bike-Exchange 4:11:33 Std.; 2. Wout van Aert (BEL) Jumbo,

3. Jasper Philipsen (BEL) Alpecin, 4. Peter Sagan (SVK) Total, 5. Fabio Jakobsen (NED) Quickstep,

6. Christophe Laporte (FRA) Jumbo alle gl. Zeit,

17. Konrad +0:24 Min., Großschartner gl. Zeit,

90. Haller +0:31, 115. Schönberger +0:39, 148. Gogl +1:13, 157. Mühlberger +3:27

Gesamtwertung:

1. Van Aert 9:01:17 Std.; 2. Yves Lampaert (BEL) Quickstep +0:07 Min., 3. Tadej Pogacar (SLO) UAE +0:14, 4. Mads Pedersen (DEN) Trek +0:18, 5. Mathieu van der Poel (NED) Alpecin +0:20, 6. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo +0:22, 19. Konrad +0:46, 52. Großschartner +1:11, 86. Haller +1:38, 129. Schönberger +2:18, 133. Gogl +2:27, 155. Mühlberger +4:33

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