Weltmeister mit Debüt im zehnten Gemeindebezirk

Sport / 13.07.2022 • 20:13 Uhr / 6 Minuten Lesezeit

In Wien beginnt neue Zeitrechnung für SCRA-Trainer Miroslav Klose.

Altach Gerade einmal einen „Steinwurf“ entfernt von der Heimstätte des Bundesligakonkurrenten FK Austria Wien beginnt für Altachs Chefcoach Miroslav Klose eine neue Zeitrechnung. Rund 2,5 km von der Generali Arena entfernt, auf dem Sportplatz Rax, der Heimstätte des Regionalliga-Ost-Klubs TWL Elektra, feiert er sein Debüt als Trainer einer Profimannschaft. Beheimatet im zehnten Wiener Gemeindebezirk, in Favoriten, wird es wohl die volle Stadionkapazität von 1000 Zuschauern brauchen, wenn mit Klose ein echter Weltmeister auf der Trainerbank der Rheindörfler Platz nimmt. Ihm gegenüber sitzt mit Herbert Gager ein in Vorarlberg bestens bekannter Ex-Bundesliga-Spieler. Der 52-Jährige bestritt in zwei Saisonen für SW Bregenz (1998/99 und 1999/2000) 49 Spiele. Seit Sommer 2019 ist Gager Coach des Ostligaklubs, bei dem auch sein Sohn Manuel unter Vertrag steht.

Denkwürdiger Tag

Klose bereitet sich akribisch vor auf den Tag X (Samstag, 18 Uhr) und da spielt für ihn selbst ein besonderes Jubiläum in dieser Woche eine untergeordnete Rolle. Exakt acht Jahre sind ins Land gezogen, seit der heute 44-Jährige am 13. Juli 2014 im ehrwürdigen Maracanã-Stadion die WM-Trophäe (1:0-Sieg über Argentinien) in den Nachthimmel von Rio de Janeiro strecken durfte. Doch selbst die Erinnerung an das denkwürdige WM-Datum und an eine Endrunde, ­wo der 137-fache deutsche Teamspieler (71 Treffer) endgütig zum WM-Rekordtorschützen (16) aufstieg, wird beim Jung-Cheftrainer von dessen täglicher Arbeit auf und neben dem Platz in den Hintergrund gedrängt. Klose schiebt Extraschichten, wie einst auch als Spieler. „Zu den Zeiten, an denen ich von zuhause weggehe und wieder zurückkomme, sehe ich keinen Menschen auf der Straße“, sagt der nunmehr in Dornbirn wohnhafte Coach. Mit langen Arbeitstagen begegnet der gebürtige Pole dem Hype um seine Person.

Klose weiß, viel Zeit ist ihm nicht geblieben, seine Spielphilosophie in die Mannschaft zu tragen. „Ich möchte lange und viel den Ball haben, das Spiel bestimmen.“ Er sei ja selbst Stürmer gewesen, „also möchte ich offensiv spielen, sehr dominant, das ist meine Idee von Fußball“. Klose nennt es „Ballbesitzfußball“. Abwehr und Mittelfeld standen in den ersten Wochen im Mittelpunkt, nach den letzten Tests wurde im Training der Fokus auch vermehrt auf die Offensivabteilung gelegt. Altach muss also lernen, schnell lernen. Denn in der abgelaufenen Saison war der Klub erst am letzten Spieltag dem Abstieg von der Schaufel gesprungen. „Die Mannschaft ist echt gut“, betont Klose während seiner vierten Trainingswoche. Auch die kleinen sprachlichen Barrieren in Vorarlberg hat der Deutsche nahezu überwunden. „Ich verstehe sie fast zu 72 Prozent“, scherzt Klose. Durchaus überraschend für einen, der jeden seiner Schritte wohlbedacht tätigt und seine Worte sorgfältig wählt. In Altach will er ein Fundament für eine lange Trainerkarriere bauen. „Die Werte, für die der Verein steht, diese Bodenständigkeit und dieses Gemeinschaftlich-Sachen-Umsetzen, das ist genau meins. Deswegen freue ich mich so auf die Aufgabe.“ Als Fußballer habe er sich „sehr viele Sachen erarbeitet, um erfolgreich zu sein“, wie er sagt. „Das ist auch mein Ziel als Trainer.“ Dementsprechend müsse auch „das Fundament groß sein“.

Akribisch

Irgendwann soll es dann auch wieder zurück auf die ganz große Bühne gehen, aber „alles step by step“, wie Klose erklärt: „Natürlich ist mein Ziel, irgendwann einmal in der Bundesliga zu trainieren. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich das total langsam und in Ruhe angehen werde. Jeder Schritt muss erarbeitet werden, mal schauen, wo mich die nächsten Jahre hinbringen.“

Vor sechs Jahren hat Klose seine aktive Karriere beendet. Danach sammelte er als Assistenztrainer der DFB-Elf erste Erfahrungen, ehe er im Anschluss zwei Saisonen lang die U-17 des FC Bayern betreute. „Ich wollte die Jugendspieler kennenlernen, wie sie über Fußball denken. Das ist eine ganz andere Generation“, sagt er. In der Saison 2020/21 arbeitete Klose als Stürmertrainer bei den Münchnern mit Spielern wie Robert Lewandowski zusammen und lernte als Assistent vom jetzigen deutschen Bundestrainer Hansi Flick. „Man lernt jeden Tag, wie er mit Spielern umgeht. Für mich hat der mit das größte Paket, was man als Trainer haben kann“, schwärmte er.

Viele Erkenntnisse

Diese Erfahrungen sollen Klose, der Slaven Skeledzic (50), zuletzt zwei Saisonen Individualtrainer im Nachwuchs des FC Bayern, aus München mitnahm, nun in Altach helfen. Öffentliche Ziele für die Saison will er sich jedenfalls keine stecken. „Man muss sich täglich alles erarbeiten und da sind wir dabei. Dann schauen wir mal, wie weit wir kommen“, sagt er. Das Niveau der Liga befindet Klose, auch nach vielen Videostunden, für gut. „Wir können uns hier in Österreich nicht beschweren, es wird da schon ein ordentlicher Fußball gespielt.“ Das soll hinkünftig auch über seine Mannschaft gesagt werden. VN-cha

„Zu den Zeiten, an denen ich von zuhause weggehe und wiederkomme, sehe ich keinen Menschen auf der Straße.“

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