„Es waren unglaubliche drei Wochen“

Sport / 24.07.2022 • 21:39 Uhr / 5 Minuten Lesezeit

Jonas Vingegaard stieg in Paris auf den Tour-Thron, Tadej Pogacar ist heiß auf die Revanche.

Paris Jonas Vingegaard holte sich direkt hinter der Ziellinie ein Küsschen seiner ganz in Gelb gekleideten Freundin Trine ab, kurz darauf strahlte er mit Töchterchen Frida auf dem Arm im Schatten des Arc de Triomphe vom Siegerpodest. Auf dem Pariser Prachtboulevard Champs Élysées vollendete der schmächtige Junge aus der Fischfabrik in Jütland unter dem frenetischen Jubel von Tausenden Landsleuten in rot und weiß seine traumhafte Reise. 26 Jahre nach dem inzwischen arg befleckten Triumph von Bjarne Riis herrschte bei der Tour de France in Paris wieder Danish Dynamite. „Es waren unglaubliche drei Wochen, ein Traum“, sagte Vingegaard, nachdem er den scheinbar unbesiegbaren Titelverteidiger Tadej Pogacar entthront hatte.

Ohne Schwächen

Vingegaard war nach 3343,8 Kilometern am Ziel seiner Träume angelangt. Bereits zuvor hatte er sich auf seiner Tour d‘Honneur ein Gläschen Champagner genehmigt. „Das war unglaublich. Jetzt habe ich es geschafft, nichts kann mehr passieren. Das ist das größte Radrennen der Welt. Etwas Größeres kann man nicht erreichen, niemand kann es mir mehr wegnehmen“, sagte der Däne und freute sich über das Heimspiel in Paris: „So viele Dänen sind hierher gekommen, um mich zu sehen. Das weiß ich zu schätzen.“

So erlebte die Tour, die mit dem Sieg des Belgiers Jasper Philipsen im Sprint royale vor Dylan Groenewegen und Alexander Kristoff ihr stimmungsvolles Ende fand, die Wandlung eines einstmals von Selbstzweifeln und Nervosität geplagten Mannes zum souveränen Siegfahrer. In den Alpen und Pyrenäen offenbarte er keine Schwächen – und verspürt längst Lust auf mehr. „Ich will noch mehr gewinnen“, sagte der 25-Jährige, der sich auch als großer Sportsmann zeigte, als er nach Pogacars Sturz in den Bergen auf ihn wartete. „Wir haben eine gute Beziehung. Wir sind keine Freunde, aber wir respektieren uns.“

So darf sich die Tour auf weitere große Duelle freuen. Denn auch Pogacar – dieses Mal mit 2:43 Minuten Rückstand Zweiter – ist heiß auf eine Revanche. „Viele Leute wollen einen anderen Sieger sehen. Es ist nicht so schlimm, die Plätze mal zu tauschen. Ich habe einen stärkeren Gegner gefunden. Das gibt mir Motivation, im nächsten Jahr besser zu sein“, sagte der zwei Jahre jüngere Slowene, dessen Team durch mehrere Corona-Fälle dezimiert worden war.

Andere Zeiten

Mit dem Rückenwind des stimmungsvollen Grand Départs, der passenderweise in Kopenhagen stattfand, gab es gleich vier Tagessiege durch die Dänen Vingegaard, Ex-Weltmeister Mads Pedersen und Magnus Cort Nielsen. Es ist nicht der erste Radsport-Boom, den das Land aus dem hohen Norden erlebt. Die letzten beiden Male endeten in einer großen Ernüchterung. Riis räumte später im Zuge des Telekom-Skandals ein, bei seinem Triumph gedopt gewesen zu sein.

Glaubt man Vingegaard, haben sich die Zeiten geändert. „Wir sind total sauber. Jeder von uns. Ich kann für das ganze Team sprechen. Niemand von uns nimmt etwas Verbotenes“, sagte der neue Tour-Patron. Rasmussen, heute Journalist im Tour-Tross, sprach von einer „unsinnigen Frage“. Er kenne keinen aktiven Fahrer, der vor laufender Kamera etwas gestehe.

RAd

109. Tour de France

20. Etappe, Einzelzeitfahren Lacapelle-Marival – Rocamadour (40,7 km): 1. Wout van Aert (BEL) Jumbo-Visma 47:59 Min., 2. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo-Visma +19 Sek., 3. Tadej Pogacar (SLO) UAE Team Emirates +27, 4. Geraint Thomas (GBR) Ineos Grenadiers +32, 5. Filippo Ganna (ITA) Ineos Grenadiers +42, 35. Felix Großschartner (AUT) Bora-hansgrohe +3:43, 62. Patrick Konrad (AUT) Bora-hansgrohe +5:13, 80. Sebastian Schönberger (AUT) B&B Hotels-KTM +6:29, 93. Marco Haller (AUT) Bora-hansgrohe +6:47, 99. Gregor Mühlberger (AUT) Movistar Team +6:56.

21. Etappe, Paris – Paris (115,6 km): 1. Jasper Philipsen (BEL) Alpecin-Deceuninck 2:58:32 Std., 2. Dylan Groenewegen (NED) BikeExchange,3. Alexander Kristoff (NOR) Wanty-Gobert, 4. Jasper Stuyven (BEL) Trek-Segafredo,5. Peter Sagan (SVK) TotalEnergies, 20. Pogacar (SLO) UAE Team Emirates, 35. Mühlberger (AUT) Movistar Team, 36. Schönberger (AUT) B&B Hotels-KTM, alle gleiche Zeit, 77. Vingegaard+51 Sek., 82. Konrad +53 – 95. Haller +1:00 Min., 113. Großschartner +1:49.

Gesamtwertung, Endstand: 1. Vingegaard 79:33:20 Std., 2. Pogacar +2:43, 3. Thomas (GBR) Ineos Grenadiers +7:22, 4. Gaudu (FRA) Groupama-FDJ +13:39, 5. Wlasow (RUS) Bora-hansgrohe 15:46, 16. Konrad +56:54, 29. Mühlberger +1:59:03, 34. Schönberger +2:16:55, 53. Großschartner +2:58:15, 87. Haller +3:53:05

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