Sozialschmarotzer?
In den USA, in Europa oder vielen anderen Teilen der Welt geht das böse Wort von den “Sozialschmarotzern” um: Viele der seit Beginn der Corona-Pandemie mit ungezählten staatlichen Hilfsmilliarden vor allzu blanker Not bewahrten Arbeitnehmer hätten die Lust aufs Arbeiten verloren. Angeblicher Beweis: Die Zahl der aktiv Arbeit Suchenden sei drastisch gesunken, die Zahl der offenen Stellen dagegen gigantisch gestiegen. Und: Viele blieben lieber zu Hause als sich wie vorher ihren Lebensunterhalt mit ehrlicher Arbeit zu verdienen.
Tatsächliche Folgen des Ungleichgewichts sind Chaos im täglichen Leben der Gesellschaft: Schlechte oder gar keine Bedienung, steigende Preise, leere Ladenregale, fehlende Lehrer, Müllmänner, medizinisches Personal und was sonst noch alles. “Stütze” kassierende Sozialschmarotzer also allesamt, die auf Kosten der Allgemeinheit auf der faulen Haut liegen? Nicht so schnell. Statt alimentierter Arbeitsscheuheit gibt es viele Gründe für “die Lage”, und die wirklichen Schmarotzer tragen eher edlen Zwirn als “Blaumann”.
Viele der bei Corona-Beginn gefeuerten Beschäftigten haben bei aller folgenden Not erfahren, dass es auch eine andere Lebensqualität gibt.
Viele der bei Corona-Beginn von weiterhin üppig bezahlten Firmenbossen gefeuerten Beschäftigten haben bei aller folgenden Not erfahren, dass es auch eine andere Lebensqualität gibt. Andere sind mit oft erfreulichen Homeoffice-Erfahrungen oder aus finanziellen Gründen “aufs Land” gezogen, wo “traditionelle Arbeitsplätze” rar sind. Und viele kamen beim Nachdenken dahinter, dass die Lasten- und Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern neu zu regeln wäre.
Denn: Bei näherem Hinsehen liegt die derzeitige Arbeitslosenquote weiterhin auf langjährigem statistischen Durchschnittsniveau, und der dramatische Anstieg der offenen Stellen hat andere Gründe: Etwa die Alterspyramide und das unterdurchschnittliche “Nachwachsen” neuer “Arbeitsfähiger”. Unter anderem politisch selbstverschuldet durch vielfältige Immigrationsbeschränkungen, oft auch mit rassistischen Untertönen wie in den USA. Wenn schon Schmarotzer, dann sind es auch nicht die “kleinen” Lebensmittelhändler, die Kneipiers oder die Handwerker um die Ecke. Das passt eher auf diverse Großunternehmen, die eine Pandemie als Ausrede für horrende Preissteigerungen und den Abbau von Arbeitsplätzen missbrauchen und damit exorbitante Gewinnexplosionen lostreten. Das ist ein beklagenswertes asoziales Verhalten. Die in Covid-Zeiten von der Arbeit “Freigestellten” und um ihre wirtschaftliche Zukunft Bangenden haben statt Häme unser Mitgefühl und unsere Solidarität verdient.
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